asdf
 

Der Groove macht sich bezahlt

CD-KRITIK / MICHAEL PRAETORIUS

15/11/21 Holla, was ist da los? Da bricht plötzlich die eng mensurierte Posaune in einem Passameze überschriebenem Tanz von Michael Praetorius aus dem Stimmengefüge von Schalmei und Bassdulcian aus und fängt an, ganz ungehörig zu jazzeln. Und die anderen lassen sich auf ihrem historischen Instrumentarium anstecken!

Von Reinhard Kriechbaum

Blues notes in der Alten Musik? Die Ohren haben schon zuvor zu flattern begonnen, als im Ballet de Coqs ein zwar dynamisch nicht aufdringlicher, aber doch eindeutig klang-fremder E-Bass zu vernehmlich heutigen Ufern aufgebrochen ist. Am Werk sind Katharina Bäuml, Schalmei-Fachfrau, und ihr Ensemble Capella de la Torre. Auf den Notenpulten: Michael Praetorius' Sammlung Terpsichore.

Der Name Praetorius taucht immer zu Weihnachten auf. Es gibt viele Liedsätze, und sein Es ist ein Ros' entsprungen ist Allgemeingut. Wir haben, wenig bemerkt hierzulande, gerade ein Praetorius-Gedenkjahr. 1621, vor vierhundert Jahren, ist der Wolfenbüttler Meister gestorben. Seine Stellung in der Musikgeschichte: Mit seinem dreibändigen Syntagma musicum (1615/19) verfasste er die musikalische Enzyklopädie seiner Zeit schlechthin. Instrumentenkunde, Formenlehre, Begriffs-Glossar, dazu unschätzbare Beschreibungen der Musikpraxis – es ist bis heute eines der Schlüsselwerke für das Wissen um die Musik dieser Epoche. Der erste Band, der Kirchenmusik gewidmet, ist übrigens in lateinischer Sprache gehalten, der zweite und dritte auf Deutsch.

Michael Praetorius war der geborene Lexigraph, auch als Komponist: ein besonders gründlicher Mensch, ein Lexigraph durch und durch. Auf neun Bände hat er es mit Musae sioniae gebracht uns dort im Prinzip das gesamte geistliche Musikgut der Zeit von zweistimmig bis mehrchörig durchdekliniert. In Summe sind es 1244 Liedsätze.

Praetorius war neugierig, weltkundig, er kannte die Musik Europas und die Stil-Besonderheiten von Italien über Frankreich bis England, auch wenn er diese Länder nie selbst besucht hatte. Ähnlich Musae Sioniae im geistlichen Bereich schwebte ihm eine auf acht Bände angelegte Zusammenschau weltlicher Musik vor. Davon ist freilich nur ein Band in Druck erschienen, Terpsichore – über dreihundert Tänze im französischen Gusto.

Aus diesem Konvolut stammen all die hübschen Sätze, die auf dieser CD mit allerlei interpretatorischen Verhaltensauffälligkeiten serviert werden. Das passiert nicht knallig, eher unterschwellig und mit einem gewissen Understatement. Französischer haut goût der Tanzkunst an der Schnittstelle zwischen Renaissance und Barock.

Es fehlt nicht an Elegance in dieser klangsinnlichen Umsetzung aus Doppelrohrblattinstrumenten (Schalmei, Bassdulcian), Blockflöte, Posaune, Orgel, Laute und sparsamer Perkussions-Würze. Ach ja, sogar der Laute hat man mal einen Verstärker aufgesetzt, ähnlich einer E-Gitarre. Letztlich ist viel gewonnen für Praetorius: Die Terpsichore-Sätze sind, wie sich zeigt, viel mehr als dankbares Repertoire für den eifrigen Blockflötennachwuchs. Musiklehrer haben die Sammlung ja immer schon geliebt.

Praetorius dances. Werke von Michael Praetorius, Thoinot Arbeau, Claude Le Jeune, Pierre Guédron, Clement Janequin, Adrien le Roy, Jehan Chardavoine. Margaret Hunter (Sopran), Capella de la Torre, Katharina Bäuml (Schalmei und Leitung). deutsche harmonia mundi 1-94398 49172

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014