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Höllenschlund und Himmelstor

CD-KRITIK / VERDI REQUIEM / MUTI

08/10/21 Wer Giuseppe Verdis Messa da Requiem liebt, kommt an dem von BR Klassik  heraus gegebenen Live-Mittschnitt aus dem Jahr 1981 nicht vorbei. Es ist das Debütkonzert von Riccardo Muti beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks - aufgenommen heute vor genau vierzig Jahren. Die CD erscheint heute.

Von Oliver Schneider

Es ist gleich ein doppeltes Geschenk. Gefeiert wird damit nämlich nicht nur die vierzigjährige Zusammenarbeit mit dem hoch geschätzten Maestro, sondern natürlich auch sein 80. Geburtstag. Lässt man die in der Dynamik bis ins Äußerste geschärfte Aufnahme heute auf sich wirken, kann man sich ausmalen, wie die Konzerte live im Herkulessaal der Münchner Residenz auf die Konzertbesucherinnen und -besucher gewirkt haben müssen. So entfesselt schleudern Orchester, und Chor des Bayerischen Rundfunks das Dies irae heraus, dass man sich wahrlich fürchtet vor einem christlichen Jüngsten Gericht. Das Quid sum miser tunc dicturus bietet ein kurzes Luftholen, bevor die Bässe des Chors mit ihrem schwarzen Gesang im Rex tremendae das bedrohliche Ende zurückrufen. Klangmächtig war der von Gordon Kember einstudierte Chor des Bayerischen Rundfunks schon damals.
Aber an Stellen wie dem Lacrymosa oder dem Schluss des Libera me, wenn Solisten und Chor inniglich um Gnade und Verzeihung flehen und Muti ein sensibles Miteinander zwischen ihnen und dem Orchester fördert, ist man emotional genauso gefangen von dieser außergewöhnlichen Interpretation. Eine solche Dichte haben die Konzerte mit dem Requiem unter Muti in den letzten Jahren – zuletzt 2019 bei den Salzburger Festspielen – oder auch jüngere CD-Aufnahmen nicht erreicht.
Handverlesen ist das Solistenquartett, wie man es besser Anfang der 80er Jahre nicht hätte haben können. Jessye Normans üppige Bühnen- und ebenso lyrisch am Lied trainierte Stimme ist gerade für das Libera me ideal. Den opernhaften Beginn gestaltet sie mit heroinenhafter Attacke, während ihr im Morendo-Schluss die Stimme fast zu ersticken scheint. Agnes Baltsa brilliert mit vokaler Fülle und leuchtender Emphase. José Carreras, der sich erst jüngst in der Wiener Staatsoper endgültig von der Bühne verabschiedet hat, steuert sein nobles Timbre sowie Strahlkraft gepaart mit großer Wärme auch in den Aufschwüngen bei. Für den sonoren und geschmeidigen russischen Bassisten Jewgenij Nesterenko ist die Aufnahme hingegen wirklich eine Totenmesse, denn er verstarb leider am 20. März 2021 im Alter von 83 Jahren in Wien an den Folgen einer Covid-19-Infektion.
Riccardo Mutis hohe Wertschätzung für das Münchner Top-Orchester führte bis heute zu vielen weiteren in Erinnerung bleibenden Konzerten. Besonders die Blechbläser – zum Beispiel die gestochene Strahlkraft der Trompeten im Sanctus – haben ihn 1981 so begeistert, dass er sie gleich für sein nächstes Requiem in Mailand einlud.

Giuseppe Verdi: Messa da Requiem. Riccardo Muti. Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Jessye Norman, Agnes Baltsa, José Carreras, Jewgenj Nesterenko. Live-Aufnahme vom 8./9. Oktober 1981. Label BR-Klassik. 2 CD 900199

 

 

 

 

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