Von Einem, der auszog, das Fürchten zu lehren
CD-KRITIK / ENSEMBLE RESONANZ / RICCARDO MINASI
12/03/20 Seit den Tagen des späten Nikolaus Harnoncourt hat niemand mehr die letzte Trias der Sinfonien von Wolfgang Amadé Mozart einer auf ersten Höreindruck vorerst so verstörenden Radikalkur wie Riccardo Minasi unterzogen.
Von Horst Reischenböck
Riccardo Minasi beweist mit dem in Hamburgs Elbphilharmonie beheimateten Ensemble Resonanz, dass es nicht auf den Originalklang ankommt. Mit dieser Truppe hat der Chefdirigent des Mozarteumorchesters auch schon Cello-Konzerte von Carl Philipp Emanuel Bach und Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuz von Joseph Haydn erarbeitet. Schade, dass es nun wegen der Absage des Aspekte Festivals vorerst zu keinem Salzburg-Gastspiel des Ensemble Resonanz in Salzburg kommt.
Kampf, Trauer und Triumph: So entpuppt sich bei Mozart, in bislang noch nie derart radikal ausgespielter Konsequenz, die gedankliche und gefühlsmäßige Steigerung von Anbeginn an. Das Orchester folgt kompromisslos Minasis die dynamischen Kontraste stark gegeneinander ausspielender Lesart, liefert einen ersten Beleg schon in der hier rhythmisch extrem pulsierenden Adagio-Einleitung des Kopfsatzes der Es-Dur-Sinfonie KV 543. Und nachgeradezu ruppig, nichtsdestoweniger aber absolut überzeugend in der finalen Allegro-Attacke, die keinen Befreiungsschlag, keinen Sieg zulässt.
Das dokumentiert auf derselben CD unmittelbar danach die „große“ Sinfonie g-Moll KV 550, emotional erschütternd und wahrhaft tragisch. Etwa mit förmlich ersterbenden Holzbläsern inmitten des Andante, zu denen dann das nachfolgende Menuetto geradezu höhnische, untanzbare Kontraste liefert. Dieses wie übrigens auch die Menuette in den anderen beiden Sinfonien wird mit allen vorgeschriebenen Wiederholungen musiziert.
Den positiven Befreiungsschlag nach derart dunkel dramatischen Gedanken, reicht die zweite CD nach. Das C-Dur der Jupiter-Sinfonie KV 551, am Besten gleich hinterher gehört, kommt hier tatsächlich einer Erlösung gleich. Der thematisch vorgegebene Dualismus zwischen hartem Auftakt und kontrastierend weicher Kantabilität im Kopfsatz wird im dann bewusst in der Umkehrung durch harsch akzentuierte Antwort auf das geforderte „cantabile“ ausgespielt. Zuguterletzt überstrahlt vom grandios durchhörbar gemachten Stimmengeflecht der fugierten Abschnitte. Bei aller programmierter Verstörung eine absolut begeisternde Deutung der symphonischen Trias.