Alleluja, alleluja!
CD-KRITIK / JOHN AMNER
24/12/19 In welchen Raum muss man sich die Musik von dem Engländer John Amner (1579-1641) hineindenken? Die Antwort fällt bei diesem Komponisten sehr eindeutig aus: Möglicherweise dienten die geringstimmiger besetzten Werke seiner Sammlung Sacred Hymnes of 3, 4, 5 and 6 parts for the Voyces and Vyols auch der geistlich-musikalischen Erbauung in den Privathäusern.
Von Reinhard Kriechbaum
Aber die meisten Stücke aus dieser 1615 gedruckten Sammlung dürften für die Kathedrale von Ely bestimmt gewesen sein. Der Ort mit dieser prachtvollen Kirche (13. Jahrhundert) eines in der Reformation aufgelassenen Benediktinerklosters liegt 23 Kilometer nördlich von Cambridge. Sie war die einzige Wirkungsstätte von John Amner. Er ist zeitlebens nicht weit über die englische Grafschaft Cambridgeshire hinausgekommen. Zum nahen Cambridge gibt es ein paar Verbindungen, zu Oxford auch – das war's.
Umso erstaunlicher ist, dass ein Kleriker, dessen hier eingespielte komplette Consortmusik auf einer CD Platz findet, sich so gut aufs Schreiben höchst wirkungsvoller, madrigalesker Sätze verstand. Ein knapp gefasster, eigentlich ganz simpler Lobgesang wie Come let's rejoice sucht in seiner Pointiertheit seinesgleichen. Die Stücke wirken allesamt nicht wie die Erzeugnisse von einem englischen Landei, sondern stehen auf der Höhe der Zeit. Schütz und Haßler lassen grüßen, die eine oder andere Wendung erinnert ob gewagter Vorhalte entfernt an Gesualdo. Meist sind es zwei, drei markante Bibelsätze, die polyphon gefasst werden und meist in ein bekräftigendes Amen münden. Diese paar Dutzend Amen-Episoden prägen sich dem Hörer ebenso ein wie mancher tonmalerischer Effekt: Im schönen Antwortpsalm aus der Osternacht zum Auszug aus Ägypten („Ross und Reiter warf er in das Meer“) geht es höchst turbulent zu. Natürlich finden „The trumpets sound …. the Angels sing ...“ entsprechend lautmalerischen Niederschlag, was die Dublin Consort Singers mit Verve rüberbringen. Die Stimmen dieses solistisch besetzten Ensembles haben gerade jene Timbreunterschiede, die ein homogenes Miteinander möglich und doch die Polyphonie anschaulich machen.
Ein Gutteil der 26 Stücke aus den Sacred Hymnes ist rein a cappella gut auszuführen. Reizvoll sind einige weihnachtliche Gesänge, die nach einem Gambenconsort verlangen. Eine Sopranstimme hebt an, vom Streicherconsort begleitet, nach und nach treten die anderen Singstimmen hinzu und die Instrumente gehen dann colla parte: John Amner war ein Kirchenmusik-Praktiker durch und durch.
Mark Keane, Leiter der Dublin Consort Singers, hat noch zwei fünfstimmige Consort-Anthems aufgestöbert (drei Stimmbücher sind erhalten, der Rest ist nachkomponiert), und die Gambengruppe Fretworks hat auch die derzeit einzigen beiden bekannten Instrumentalstücke von John Amner mitgenommen. Ganz komplett ist das kompositorische Schaffen damit noch nicht, es gäbe noch eine handvoll Anthems, ein paar englischsprachige Vertonungen des Magnificat und des Nunc dimittis, außerdem zwei Serien vierstimmig gesetzter liturgische Antworten. Aber damit käme man in der Spieldauer doch schon knapp über eine CD-Kapazität hinaus.