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Frau Monteverdi, mindestens

CD-KRITIK / BARBARA STROZZI

07/07/10 Die Blütenlese von Werken der Barbara Strozzi beginnt mit - Monteverdi! Ist das ein hinterhältiger Anschlag aus der Macho-Ecke um eine der wenigen Komponistinnen gleichsam herauszuholen aus der geschützten Werkstätte der Gender-Bewussten?

Von Reinhard Kriechbaum

Ja und nein: Natürlich ist es der Härtetest, wenn Musik zwischen Monteverdi und Sigismondo d'India platziert wird, wenn sie sich mithin zwischen den beiden Dioskuren des Madrigals im damals hypermodernen monodischen Stil ihren Platz und ihre Daseinsberechtigung erst erkämpfen muss. Aber wenn sie es tut - das ist dann der schönste und ohren-fälligste Beweis für Qualität.

Was das zu vertonende Material anlangt, hatte Barbara Strozzi ja das Glück, die dichterischen Pretiosen zususagen auf dem Nachkästchen vorzufinden: Ihr Adoptivvater Giulio Strozzi war einer der dichterischen Wortführer. Und Barbara Strozzi brauchte sich im Kreis der Dichter- und Komponisten-Fürsten, die sich im hause Strozzi die Klinke in die Hand gaben, nicht im Hintergrund zu halten. Man war aufgeklärt, humanistisch gesinnt, offen. Barbara Strozzi war akzeptiert als Sängerin und Ton-Schöpferin, als "virtuosissima Compositrice" eben, wie die vorliegende CD im Untertitel heißt. Für sie war, vom Genie wie von der gesellschaftlichen Position her, die Ausgangslage unvergleichlich besser als für andere (eher in Klöstern tätigen) komponierenden Frauen der Zeit.

Nach Monteverdi also gleich das famose "Lagrime mie", diese Klage, in die sich der Solosopran einer kühnen Arabeske gleich in zwei Halbtonschritten im Anbstand einer übermäßigen Sekunde stürzt. Dieser Ausdruckspegel! Die Cappella Mediterranea unter Leonardo Garcìa Alarcón braucht sich da nicht zurück zu halten, Harfe, Theorbe, Erzlaute, Orgel: Das Continuo-Unterholz ist dicht und einer Machete gleich arbeitet sich Céline Scheen in den breit gefächerten Ausdrucks-Dschungel.

Solo-Motetten und mehrstimmige Stücke sind beisammen und illustrieren, dass wohl niemand Monteverdi auf der Basis seines Achten Madrigalbuchs akkurater beim Wort genommen hat als Barbara Strozzi. Dass sie mit ihrer ersten Veröffentlichung (1644) wartete, bis Monteverdi tot war. Niemand war aber auch mutiger und kreativer.

Man könnte da nun beschreiben, mit Worten weitermalen - besser: sich einfach überrumpeln und gelegentlich von der Kraft der ausgedeuteten Worte schier platt schlagen lassen. Das ist im Vokalen so intensiv ist, dass ein Zink im Dialog mit den jeweiligen Singstimmen so zart wirkt wie die Gamben, aber damit ist die Leistung der Instrumentalisten natürlich nicht geschmälert: Wie die Geigen peitschen, wenn von krieg oder Zornesgefühlen die Rede ist, das geht unter die Haut - aber genau so überzeugt das Feinsinnige, wenn es beispielsweise gilt, Passagen über ostinate Bässe gemäß dem jeweiligen Sprach-Bild zu kolorieren.

Wenn eine Soirée der venezianischen "Accademia degli Unisoni" in der Zeit tatsächlich so geklungen hat, wie Leonardo Garcìa Alarcón sie auf dieser CDE imaginiert, dann versteht man gut, dass Barbara Strozzi sehr ernst genommen worden ist von den gescheiten Herren, die sonst hier das (alleinige?) Sagen hatten.

Barbara Strozzi: Virtuosissima Compositrice. Cappella Mediterranea. Ltg. Leonardo Garcìa Alarcón. Ambronay (AMY020), im Vertrieb von harmonia mundi. www.ambronay.org

 

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