Murmle stets von Liebe nur
MOZARTWOCHE / ACIS UND GALATEA
31/01/16 Die Liebenden scheinen sich in Feld und Hain kurz aus den Augen verloren zu haben. Grund genug für die Nymphe Galatea, ein bewegendes Lamento anzustimmen. Dabei lebt ihr geliebter Acis zu diesem Zeitpunkt ja noch. Aber der lüsterne und eifersüchtige Riese Polyphemus lauert schon und macht sich bereit, das Glück zu zerstampfen und zu zerschmettern.
Von Heidemarie Klabacher
Die Nymphe, der Hirte und der böse Riese: Die mythologische Dreiecksgeschichte um die Nymphe Galatea, ihren zarten Liebhaber Acis und dessen ungeschlachten Nebenbuhler Polyphemus inspirierte die Maler, faszinierte die Komponisten. Besonders Georg Friedrich Händel, den der Stoff ein Leben lang begleitete.
Angekündigt worden war bei der Mozartwoche eine „Acis und Galatea-Trilogie“. Von Mozarts Händel-Bearbeitung spielten Les Musiciens du Louvre unter der Leitung von Marc Minkowski am Freitag (29.1.) im Haus für Mozart dann doch nur eine Ouvertüre – die sie nahtlos übergehen ließen in die Acis- und Galatea-Bearbeitung des jungen Felix Mendelssohn Bartholdy.
Dieser hat, in einer Tonsatz-Hausübung für seinen Lehrer Friedrich Zelter, sein Genie ins Kraut schießen lassen und aus der Miniatur ein Monumentalgemälde gemacht. Eine schräge Sache zwischen Stühlen und Stilen. So wird in Galateas Auftrittsarie das feine Vogelzwitschern in der Natur (zwei Geigen und eine Piccoloflöte trällern im Original) zum Vogelgeschrei in einem überfüllten Taubenschlag. Die Instrumentalisten von Les Musiciens du Louvre und Marc Minkowski verschafften dem Ganzen dennoch die Luftigkeit und Durchlässigkeit einer Volière.
Virtuose Einsprengsel des Hammerklaviers in allen Partien lassen ein verstecktes Mendelssohn-Klavierkonzert vermuten. Für weitere Opulenz sorgt ein ausgewachsener Chor - der Salzburger Bachchor wie immer in Bestform - statt Solistenensemble. Julie Fuchs als Galatea, Colin Balzer als Acis, Valerio Contaldo als Damon, und Peter Rose als Polyphem behaupteten sich souverän als Solisten in dem Stil-Mix zwischen Barock und Romantik.
Aufatmen und schon im nächsten Moment Atem anhalten bei den ersten Klängen des Originals: „Acis and Galatea“ von Georg Friedrich Händel in der Fassung von 1718 – „A Masque für Soli, Chor und Orchester HWV 49a“.
Marc Minkowski und Les Musiciens du Louvre gestalteten die Kostbarkeit mit der Sorgfalt und Präzision von Porzellanmalern: mit feinsten Pinselstrichen von überwältigender Farb- und Tiefenwirkung. Die Piccoloflöte zu Galateas sehnsuchtsvoller Auftrittsarie „Hush, ye pretty warbling quire“; die Oboe zur Acis’ „Love in her eyes sits playing“; das Cello zu Damons besänftigender wie vergeblicher Warnung „Consider, fond Sheperd“: Die Instrumentalsoli, jedes einzelne ein sorgfältig geschliffener Solitär, verbanden sich mit der Strahlkraft der Gesangspartien zum vielfarbigen Funkeln.
Anna Devin als Galatea, Valerio Contaldo, hier der Acis, Samuel Boden als Damon, Colin Balzer, hier als Coridion, und Krzysztof Baczyk als Polyphemus: Sie alle begeisterten mit rhetorisch ausgefeilter Klangrede und gesangstechnischer Perfektion. Jede Verzierung in den Da-capo-Arien mit Überlegung und stupender Perfektion platziert; jede Linie mit Verve und Spannung über die Lagen geführt; jedes Lauter- oder Leiserwerden ein bewusster Blick in immer feiner ausgeleuchtete Seelenlagen. Ein Händel-Werk als wahrer Höhepunkt der Mozartwoche.