Musik, die atmet
MOZARTWOCHE / LES MUSICIENS DU LOUVRE / MINKOWSKI
27/01/16 Derzeit gibt es wirkliche Festtage für Mozart und Mendelssohn in Salzburg. Das Orchesterkonzert mittags am Dienstag (26.1.) reihte sich würdig ein. Marc Minkowski befeuerte und inspirierte ein internationales Ensemble. Bei einem Wunschkonzert-Programm – das aufregend neu erklang.
Von Gottfried Franz Kasparek
Auf dem Podium sitzen „Les Musiciens du Louvre“, die an sich schon aus etlichen Ländern kommen, vermischt mit sieben Mitgliedern des Mozarteumorchesters. Dass die bunte Gemeinschaft nicht auf den sonst bei Orchesterkonzerten üblichen Podesten thront, dürfte günstige Auswirkungen auf die Akustik haben. Alte Instrumente hin oder her, so klanglich fein gezeichnet, so transparent durchmodelliert hört man auch in diesem Saal selten ein größeres Kollektiv. Marc Minkowski formt ein kraftvoll-sonores, romantisch timbriertes Originalklang-Ensemble. Schon in der einleitenden Hebriden-Ouvertüre gibt er erstaunlich langsame Tempi vor. Als hätte Furtwängler das Vibrato verboten. Dies ist akkurat schattierte Landschaftsmalerei, gewiss, aber erfüllt vom Geheimnis alter Sagen. Die Musik verströmt durchaus nördlich-schottisches Licht, in Ebbe und Flut, Stille und Sturm.
Nach der Pause wird schon in den ersten, mystischen Takten der „Reformationssymphonie“ deutlich, wie sehr Wagner davon gezehrt hat, nicht bloß in jenem „Dresdener Amen“, das im „Parsifal“ als Gralsmotiv wiederkehrt. Es sind gerade die aufs Schönste herausgearbeiteten lyrischen Sequenzen, die in dieser Interpretation bezaubern. Die tatsächlich auf Bruckner voraus weisende Kontrapunktik des Kopfsatzes ergibt spannende Kontraste zum poetisch ausgemalten Scherzo und zum gleichsam schwebenden Andante. Im Finale, wenn der Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“ mit warm tönender Blechbläsergewalt ertönt, geht es natürlich nicht ohne weihevolles Pathos ab, aber wie differenziert und farbenreich wird das musiziert! Da kann man sich fragen, wie weit Mendelssohn sich des wütenden Antisemitismus Martin Luthers bewusst war – den Sieg trägt eine wahrlich fest gegründete Gläubigkeit davon, vor der man zweifelnd, doch ebenso staunend steht. Was sonst oft wie plakativer Effekt anmutet, wird unter Minkowskis ruhig beschwörenden Händen zum altgoldenen Monument fragloser Spiritualität.
Und dazwischen – ein Mozart-Wunder! In der Sinfonia concertante verblüfft, wie aus dem Andante unversehens ein Adagio wird. Auch die hurtigen, aber nicht allzu schnellen Ecksätze erfreuen in ihrer ungekünstelten Spielfreude. Doch der Mittelsatz wird zum tief berührenden Zentrum jener neuen Emotionalität, die aus dem „Sturm und Drang“ mitten ins Herz der Romantik führt.
Minkowski und sein Orchester tragen die Solisten quasi auf Wolken betörenden Schönklangs, ohne jemals ins Oberflächliche abzugleiten. Christoph Koncz, einst ein Wunderkind, jetzt ein junger philharmonischer Geiger und Leiter des Mozart-Kinderorchesters, und der famose Bratscher Nils Mönkemeyer ergeben ein Traumpaar. Die beiden spielen auf Mozarts Instrumenten. Die Geige hört man ja im Salzburger Konzertalltag öfters, sehr selten die Viola, deren edler, so menschlicher Klang die silberne Strahlkraft der Violine herrlich ergänzt, fortführt, umspielt. Koncz und Mönkemeyer sind nicht nur technisch souverän, sondern erfüllen ihre Partien mit jugendlicher Frische und jenem „Singen der Instrumente“, welches für Mozarts Komponieren so wesentlich ist. Dies ist atmende Musik, im Leisen wie im temperamentvollen Aufschwung. Der Publikumsjubel wurde, selbstredend, mit dem ersten Satz aus Mozarts erstem Duo bedankt.