asdf
 

Der denkbar quirligste Lebens-Geist

MOZARTWOCHE / MAHLER CHAMBER ORCHESTRA / UCHIDA

26/01/16 Hätte Mitsuko Uchida nicht schon vor genau einem Jahr die Goldene Mozart-Medaille der Stiftung Mozarteum bekommen, so müsste man sie ihr nach dem Konzert gemeinsam mit dem Mahler Chamber Orchestra am Montag (25.1.) augenblicklich umhängen.

Von Reinhard Kriechbaum

Aus allen Himmelsrichtungen kommen sie meist zusammen, Solisten und Orchester werden von wohlmeinenden Intendanten und Agenten bunt zusammengewürfelt. Das ist bei der Mozartwoche nicht anders als im Konzertleben überall auf der Welt. Dass gerade die Konzerte von Sir Andràs Schiff und seiner „Cappella Andrea Barca“ immer als erste ausverkauft sind, ist ein starkes Zeichen, dass viele Musikfreunde sehr wohl registrieren, wenn Musik diesen Level der Austauschbarkeit verlässt. Mitsuko Uchida und das Mahler Chamber Orchestra am Montag im Großen Saal des Mozarteums: Das war ein ultimatives Beispiel dafür, wie anders Musik funktioniert, wenn die richtigen Leute mit dem richtigen Spirit am rechten Ort zusammenkommen: Drei Stücke von Mozart, tatsächlich von Grund auf neu gehört.

„Andante“ hat Mozart über die Binnensätze sowohl seines Konzerts in G-Dur KV 453 als auch jenes in C-Dur KV 503 geschrieben. Gehend. Das kann man als Anweisung zum Schlendern nehmen, aber man kann eben auch sehrm konzentriert einen Fuß vor den anderen setzen. Mitsuko Uchida hält nichts vom unverbindlichen Drauflosspazieren. Ur-konsequent langsam nimmt sie das Andante des G-Dur-Werks, liefert dafür immer neue Ansatzpunkte vor allem für die ambitionierte Holzbläsertruppe, die ihrerseits wieder nicht nur akkurates Chroma, sondern unerwartetes Tiefenlicht einbringt, in dem die Pianistin wiederum scheinbar Nebensächliches mit plastischen Schatten vorzeigen kann. Sagenhaft die Disziplin des Orchesters, aber eben auch der Solistin, die auch in der Kadenz des so langsam genommenen Andante-Satzes kein Deut an Tempo zulegte. Größe: Das war in diesem Moment konzentrierteste Selbstbescheidung.

„Geben und nehmen“ wäre als Beschreibung entschieden zu wenig für dieses Maß an spirituellem Austausch, an reaktionsgenauer und reflexstarker Interaktion, wie sie die Interpretation der beiden so unterschiedlichen Werke beider Werke auszeichnete. Ein so sagenhaft eng verzahntes Miteinander ist ja kein einschnürendes Korsett: Wie vorlaut durften da in der ersten Variation des Finalsatzes die Bläser ihr Thema „hacken“, wie überhaupt der Übermut im Zusammenspiel in den Rahmensätzen absolut nicht zu kurz kam. Auch dieses „Allegretto“ hat Mitsuko Uchida kein bißchen eilig angelegt und damit scheinbar „verquere“ Harmonien, tollkühn experimentelle Erfindungen Mozarts, mit Charisma herausgearbeitet. Nie noch habe ich besser verstanden, wie notwendig nach diesen Allegretto-Variationen der Spannung lösende Presto-Kehraus ist.

Ganz anders, aber nicht weniger ausdifferenziert das C-Dur-Konzert, in dem das Mahler Chamber Orchestra über viele Strecken seinen kernigen Streicherklang in einen Applomb à la Beethoven umsetzen durfte. Aber eben nie in derber Lautstärke, sondern immer gut strukturiert. Auch da wieder das Andante im Zentrum, einer der komplexesten Konzertsätze Mozarts. Wesenhaft lebten diese Wiedergaben von der sagenhaften Übereinstimmung von Mitsuko Uchida mit der Soloflötistin Chiara Tonelli, die auf einem Holzinstrument mit Klappen spielte. Ihren außerordentlichen koordinativen Fähigkeiten (und im C-Dur-Werk auch der Oboistin Mizuho Yoshii-Smith) war viel von der außerordentlichen Tiefenschärfe des Musizierens an diesem Abend geschuldet.

Das hoch motivierte Mahler Chamber Orchestra hat zwischen die Klavierkonzerte dann noch ein Divertimento mit niedriger Köchel-Zahl (B-Dur KV 137) eingestreut. Beileibe kein Leichtgewicht, wenn man die Themen mit so starker rhetorischer Emotion auf- und ausreizt. Alle Achtung, wie Konzertmeister Itamar Zorman die Streichergruppe bei der Stange hielt. Vor allem der Eröffnungssatz hatte im Vergleich mit „gewöhnlich“ gestimmten Wiedergaben so gut wie keinen Wiedererkennungseffekt: Merke wieder einmal: Auch bei scheinbaren „Gelegenheitswerken“ ist das letzte Mozart-Wort so schnell nicht gesprochen.

Bilder: ISM / Wolfgang Lienbacher

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014