Das kleine Nichts und die Titanen
MOZARTWOCHE / SINFONIEORCHESTER UNI MOZARTEUM / WEIL
25/01/16 Morgen-Müdigkeit? Das Sinfonieorchester der Universität Mozarteum fegte heute Montag (25.1.) Vormittag wie der Sturmwind durch die Matinee und riss sein Publikum zu Begeisterungstürmen hin. – Ein mitreißender Auftakt von Bruno Weil am Pult „seines“ Orchesters.
Von Heidemarie Klabacher
Seit Oktober 2015 sind die Dirigenten Bruno Weil, Reinhard Goebel und Johannes Kalitzke die Leiter des Sinfonieorchesters und der Dirigierklasse der Universität Mozarteum. Weil hat das Orchester bei der traditionellen Mozartwochen-Matinee mit der Präzision und Umsicht eines Orchesterpädagogen geleitet – und war den jungen Leuten zugleich ein mitreißender und inspirierender Anführer durch dunkle und lichte Gefilde.
Mit Witz und Verve sprangen die Musikerinnen und Musiker mitten hinein in die Ouvertüre c-Moll zu „Ruy Blas“ von Felix Mendelssohn Bartholdy. Ein Kehraus zur Eröffnung! Volle Lautstärke, volles Tempo, volle Fahrt, aber schon hier begeisterten die subtil geführten und immer wieder überraschenden Wendungen ins fein schattierte Delikate. Mendelssohn hat das Intriganten-Drama „Ruy Blas“ von Victor Hugo nicht besonders geschätzt. Aber die Komposition der Ouvertüre, in knapp drei Tagen hingefetzt, habe ihm „einen so großen Spaß gemacht, wie nicht bald eine von meinen Sachen“. Das gilt auch für die Wiedergabe bei der Mozartwoche: Unverschämt effektvoll hat Bruno Weil mit den Seinen beim Publikum allfällige Reste von Morgen-Müdigkeit verjagt.
„Sechs Stücke werden von anderen darinn seyn, die bestehen aus lauter alten Miserablen französischen Arien“, meckerte Mozart. Er selber hat für die Ballettmusik zur Pantomime „Les petits riens“ an der Pariser Oper zwölf Stücke geschrieben. Sieben der zauberhaften Miniaturen aus KV 299b spielte das Sinfonieorchester der Universität Mozarteum, quasi als Ruhepol im Auge des Orkans. Duftig federnd, tänzerisch bewegt, zugleich höfisch und musikantisch war die Wiedergabe. Den Holzbläsern boten die „Kleinen Nichtigkeiten“ allerbeste Gelegenheiten für klangrednerisch beredte, subtil phrasierte Soli. Die oft schier nur „hingetupfte“ feine Streicherbegleitung machte Staunen, angesichts der Größe der Streicherbesetzung.
Klangfarbenreich, klangsinnlich und rhythmisch differenziert ist Henri Dutilleux’ „Les Citations. Diptyque für Oboe, Cembalo, Kontrabass und Schlagwerk“. Genau so war auch die Wiedergabe dieses kammermusikalische Einsprengsels. Es spielten Florian Birsak, Cembalo, und Christine Hoock, Kontrabass, sowie - mit Juan Carlos Rivas Perretta, Oboe, und Sergey Mikhaylenko, Schlagzeug - die Preisträger des Auswahlspiels der Universität Mozarteum.
Es mag dramaturgisch nicht ur-originell sein, Mozarts Symphonie C-Dur KV 551 zu programmieren. Tatsächlich aber war die monumentale „Jupiter Symphonie“ eine geradezu ideale Spielwiese um zu zeigen, wie sehr Orchester und Dirigent schon nach wenigen Monaten des Miteinander aufeinander abfahren.
Allein mit den unendlichen vielen Wechseln zwischen dramatischen und poetischen Passagen, den raffiniert gegeneinander gesetzten Kontrasten, hielt diese Wiedergabe die Aufmerksamkeit gebannt. Die Lieblichkeit des Andantes etwa, das immer wieder auf die dunkle Seite führt, ohne dort länger als für die Dauer einer kurzen aber heftigen Irritation zu verweilen, wirkte wie ein Gang durch Feuer und Wasser – samt kurzen Pausen in lichten Gefilden. Bruno Weil führte seine Scharen geschlossen und im Sturmschritt. Zugleich schien er immer wieder weite Räume der Ruhe und Stille zu öffnen, in denen sich die Bläsersoli entfalten konnten. – Eine höchst ergiebige Matinee.