Ein wundersamer Lied-Sopran in bester Gesellschaft
MOZARTWOCHE / ANNA PROHASKA
25/01/16 Einst gab es „Musikalische Akademien“, veranstaltet von der Uni Mozarteum, wo auch heute noch manchmal Ähnliches stattfindet. Locker gestaltete, abwechslungsreich besetzte, doch motivisch verbundene Konzertprogramme wie jenes rund um die fabelhafte Anna Prohaska in der Mozartwochen-Matinee am Sonntag (24.1.) im Großen Saal.
Von Gottfried Franz Kasparek
„Mozart und Mendelssohn“ ist ein Leitthema dieser Mozartwoche. Da die Moderne gottlob nicht mehr fehlen darf, kam diesmal Aribert Reimann dazu. Der hat anno 1996 für das Festival in Schwetzingen acht Heine-Lieder und ein Heine-Fragment Mendelssohns mit einem fragilen, mitunter unverblümt lyrisch-poetischen, mitunter gespenstisch-dunklen Gespinst von irisierenden, liebevollen Streichquartettklängen umgeben, unterfuttert, umspielt. Keine Übermalung ist dies, eher eine neue Beleuchtung, da Mendelssohns Harmonik praktisch unverändert ist und sich Reimanns sechs Intermezzi dezent kommentierend dazu fügen.
Der kleine Zyklus heißt „...oder soll es Tod bedeuten?“ Selige Träume der Romantik, kulminierend „auf Flügeln des Gesanges“, enden in melancholischem Sterben von Liebe und Leben. „Warum steigt denn aus dem Balsamkraut hervor ein Leichenduft“ steht als tragische Frage am Schluss von Mendelssohns Fragment. Schubert ist nahe, wenn Anna Prohaska mit feinsten Schattierungen und aufregenden Nuancen ihres wundersamen Lied-Soprans in diese Welt verhangener Schwermut reist. Begleitet wird diese Ausdruckskünstlerin erster Klasse von einem erlesen besetzten Streichquartett – Vilde Frang und Esther Hoppe an den Geigen, Bratscher Nils Mönkemeyer und Cellist Nicolas Altstaedt.
Dieses luzide Seelengemälde beendete ein Programm, das mit Mozarts erfrischend klar gespieltem C-Dur-Klaviertrio KV 548 mit Vilde Frang, Altstaedt und dem Pianisten Alexander Lonquich begonnen hatte. Lonquich, auch er ein Meister der diffizilen Zwischentöne, begleitete den Cellisten in Beethovens Variationen über „Bei Männern, welche Liebe fühlen“ mit Animo und war auch in Mendelssohns Variations concertantes op. 17 ein idealer Partner. Nicolas Altstaedt erfüllte letzteres Stück mit edler Noblesse und manch überraschenden dramatischen Aufschwüngen.
Anna Prohaska sang am Ende des ersten Teils, mit Lonquich am Flügel, fünf Beispiele aus dem oft unterschätzten Liedschaffen Mendelssohns. Sie ist die ideale Interpretin für diese elegante und dennoch hintergründige Romantik, für die charmante Klassizität und Mozart-Nähe mancher Phrasen und Melodien, ebenso für die abgrundtiefe Trauer, die sich im op. 71 nach dem Tod von Schwester Fanny manifestiert. Nikolaus Lenaus nachtschwarze Verse erklangen in größter Wortdeutlichkeit. Doch auch das rasante „Hexenlied“, eine groteske Walpurgsinacht im Zeitraffer, ist der Sängerin wie in die virtuose Kehle geschrieben.
Mit Reimanns Mendelssohn-Version endete zwar das offizielle Programm, aber nicht das Konzert. Denn nach anhaltendem Jubel versammelten sich alle Mitwirkenden, um mit Witz und Seele eben jenes Zauberflöte-Duett in einem wie improvisiert wirkendem Arrangement als Solo für Pamina darzubieten, welchem Beethovens gefühlvolle Variationen gegolten hatten. Und „Weib und Mann“ reichten „an die Gottheit an“. Nämlich an die der Musik.