Kein Schatten über dem ewigen Licht
MOZARTWOCHE / JOHN ELIOT GARDINER
24/01/16 Mozarts c-Moll-Messe KV 427 und das Requiem KV 626: Ein jedes dieser beiden Werke ist obligater Bestandteil der Festivalprogramme im Salzburger Jahreslauf. Dass jetzt beide an einem Konzertabend kombiniert wurden, war etwas Besonderes und eine sehr reizvolle Variante.
Von Elisabeth Aumiller
Lag nun die interpretatorische Gewichtung mehr auf dem sakralen Charakter oder auf dem Konzert-Hörgenuss? In der beispielhaften Wiedergabe am Freitag (22.1.) stellte sich eine gut tarierte Symbiose zwischen beiden Elementen ein. Sir John Eliot Gardiner ist ja nach dem Rückzug von Nikolaus Harnoncourt als Dirigent der Doyen auf dem Gebiet der historischen Aufführungspraxis. Seine English Baroque Soloists und der Monteverdi Choir mit den Solisten aus diesem Ensemble formten sich unter seiner Führung zu einem Instrumentarium vollkommener Einheit. Beim Zuhören herrschte alsbald der Eindruck: All das könnte gar nicht stimmiger, nicht stilistisch perfekter, nicht „richtiger“ klingen als eben in diesem Moment.
Die Baroque Soloists spielen ihre nach alter Manier gebauten Instrumente mit solch selbstverständlich wirkender Fertigkeit, dass sie ein Klangbild von großer Transparenz und Delikatesse erzielen, das schwebend leicht, nuancenreich und hauchzart sein kann. Aber die Musiker vermögen auch mächtig aufzutrumpfen, ohne dabei Härten zuzulassen, vielmehr immer der Klangästhetik verpflichtet bleiben. Gardiner scheint mit seiner Gestik die vielseitigen dynamischen Schattierungen geradezu zu modellieren. In feiner Agogik der Tempi lässt er Flexibilität ebenso walten wie er auch streng präzisierte Rhythmik fordert. Die Sänger gleichen ihren Stimmeinsatz stilistisch dem historischen Empfinden an, die Solisten pflegen eine rein instrumentale Stimmführung, singen nahezu vibratolos und ergänzen nahtlos den chorischen Gesamtklang.
Die Sopranistin Amanda Forsythe bezaubert mit klarem, feinstimmig filigranem Höhensilber. Das „Et incarnatus est“ in seiner heiklen Tessitura singt sie mit müheloser Brillanz in einer Mischung aus Innigkeit und Klangfinesse. Wunderbar dazu die warmen Lichter der Soloflöte. Hanna Morrison punktet im „Laudamus te“ mit Geläufigkeit über zwei Oktaven. Aus dem Chor vervollständigen Gareth Treseder und Alex Ashworth die Soli. Der Monteverdi Choir, mal doppelchörig, mal einheitlich im Einsatz, rückte als herausragender Protagonist die Messe beinahe in die Nähe Bach'scher Klangformationen. Der Chor ist von besonderer Qualität: voller Lebendigkeit, Vielfarbigkeit und Flexibilität, zart besaitet ebenso wie von kraftvoller Substanz. Jeder Takt ein exquisites Klingen.
Nach der Pause nimmt gleich das geheimnisvoll dunkel einsetzende „Requiem aeternam“ gefangen. Der Chor lässt im Gegenzug das „Dies Irae“ zu mächtiger Bedrohlichkeit anschwellen, „Rex tremendae“ tönt ebenso Achtung gebietend, während „Recordare“ oder „Lacrimosa“ hinüber leiten in die positive Stimmung. Da gibt es so manches, was man neu zu hören vermeint. Der Bass-Solist David Shipley zeigt Profil mit sonorem „Tuba mirum“. Dem homogenen Solistenquartett gibt er sodann die Basis, und in schlichten Linien setzt Amanda Forsythe zarte Lichter oben drauf. In der Mitte füllen mit warmem Mezzo Kate Symonds-Joy und der helle Tenor von Peter Harris.
Wie schon in der c-Moll-Messe besticht auch beim Requiem hier das Gesamtgefüge, das in seiner Geschlossenheit aller Beteiligten doch so viele klangliche Differenzierungen und einen großen Spannungsbogen aufweist und sich dazu dem inhaltlichen Ausdruck verschreibt: „Lux aeterna“, daran bestand kein Zweifel.