Sir András und die Sternstunden
MOZARTWOCHE / ANDRÁS SCHIFF
24/01/16 Wer den Zyklus „Letzte Sonaten“ im vergangenen Festspielsommer erleben durfte, wird diese so intensiven wie federleichten Interpretationen der jeweils letzten drei Klaviersonaten von Mozart, Haydn und Beethoven nie wieder vergessen. Nun hat András Schiff bei der Mozartwoche weitere pianistische Meilensteine gesetzt.
Von Heidemarie Klabacher
Das fing und das fängt schon bei den Instrumenten an. Im Sommer spielte András Schiff auf einem Bechstein–Flügel im Besitz des Schweizer Klavierhauses Gebr. Bachmann aus dem Jahr 1921. Das ist jener Flügel, auf dem Wilhelm Backhaus viele Schallplatten eingespielt und unzählige Konzerte gegeben hat. Ein unglaubliches Instrument, dessen Klangfarbenreichtum – vom Grollen wie aus dem Inneren des Erdkerns bis zum überirdischen Funkeln - noch immer deutlich im Ohr ist.
Bei der Mozartwoche am selben Ort, im Großen Saal des Mozarteums, spielte Schiff gleich zwei besondere Klaviere: den Mendelssohn-Teil seines Programms auf dem Graf-Flügel und den Mozart-Teil auf Mozarts Walter-Flügel.
Das „Hauptwerk“ im ersten Teil seines Recitals am Freitag (22.1.) waren Mendelssohn-Bartholdys „17 Variations sérieuses“ d-Moll op. 54. ein Auftragswerk, das Mendelssohn für ein „Beethoven Album“ des Wiener Verlegers Mechetti geschrieben hat. Chopin, Liszt oder Kalkbrenner waren auch dabei, der Erlös war für das geplante Beethoven-Denkmal in Bonn gedacht. Allein das eine schöne Geschichte.
András Schiff bescherte mit diesem Meisterwerk nichts weniger als eine völlig neue Sicht auf Mendelssohns Klavierschaffen. Pianistisches Funkeln und Strahlen? Virtuoser Gestus? Mehr als genug davon. Dennoch vor allem ein Panorama hoch differenzierter Klangwelten: Bizarre Bocksspringereien, nervöse Läufe, wahlweise in der linken oder rechten Hand mit einer souveränen Melodie in der jeweils anderen Hand, ein quasi frommer Choral mit geradezu postromantischen Modulationen. Dann ein Pedalwechsel – und András Schiff lässt mit dem nächsten Akkord in eine völlig neue Klangwelt blicken, in der eine einzige große Melodie wie auf einer Straße aus Sternenstaub zieht.
Dazu – gleich souverän in der Interpretation, von den Werken her beinahe „nur“ mehr eine Ergänzung - spielte Schiff die Fantasie fis-Moll op. 28 „Sonate écossaise“ und drei „Lieder ohne Worte“ (G-Dur, a-Moll und A-Dur). „Die Opuszahlen sind nebensächlich“, sagte Sir András zum Publikum, als er bekannt gab, welche Auswahl er spielen wolle. Recht hat er.
Die Sonate C-Dur KV 545, von Mozart selber „eine kleine klavier Sonate für anfänger“, von der Nachwelt „Sonate facile“ genannt, eröffnete den Mozart-Teil. Sie gehört zu den „Letzten Sonaten“ und stand also auch im Festspielsommer auf dem Programm – wie auch die Sonaten D-Dur KV 576 und B-Dur KV 570. Deren „Hornquinten-Wendungen im Adagio bleiben in Ohr und Herz“, schrieben wir im Festspielsommer. Das war auf dem Bechstein-Flügel. Auf dem wesentlich zarteren Walter-Flügel kamen dieselben Werke wie in neuen, noch einmal feiner gewobenen Texturen.
Mit dem „Adagio für Glasharmonika“ hat András Schiff dann alle Bezauberten endgültig in eine bessere Welt entrückt.