So dirigieren die Könige
MOZARTWOCHE / WIENER PHILHARMONIKER, HENGELBROCK
01/02/15 Hier die Wiener Philharmoniker, dort Thomas Hengelbrock. Hier der schöne, der wunderschöne Klang, dort einer am Pult, den man auch herzeigen kann: Wie er sich da am Samstagabend bewegte, mit Hüften und Händen immer punktgenau am Rhythmus, könnten viele das für echtes Dirigieren gehalten haben.
Von Reinhard Kriechbaum
Wird man einmal auf unser Musikleben zurückblicken, auf die Konzertpraxis der Zeit, dann werden Musikhistoriker eine erstaunliche Feststellung machen: In einem munteren Reisebetrieb ließen sich damals – lasst sich also heute – fast jeder mit jedem kombinieren. Das gilt für Orchester, Instrumentalsolisten, Sänger und Dirigenten. Die Karten immer wieder neu zu mischen ist möglich, weil insgesamt wenig Eigenart herrscht. Die Wiener Philharmoniker sind eigentlich eine rare Ausnahme, weil sie wirklich eines der wenigen unverwechselbaren und deshalb aus gutem Grund selbstbewussten Orchester sind. Gnadenlos lassen sie einen Pultmenschen auflaufen, wenn er ihnen mit nicht wohl gelittenen Ideen kommt.
Nun wäre Thomas Hengelbrock, der ja (wiewohl multi-stilistischer Grenzgänger) eher im Feld der Alten Musik seine echten Meriten hat, ein genuines Feindbild der Wiener Philharmoniker. Aber er ist ein intelligenter Bursche, der weiß, wo er sich lieber zurückhält. Die Jupiter-Symphonie und die A-Dur-Symphonie KV 201: Die kann man den Philharmonikern getrost in Eigenregie zutrauen. Und wenn das einer tut, so wie am Samstag (30.1.)Thomas Hengelbrock im Großen Festspielhaus, dann kann er sich einer geradezu überschwänglichen Dankbarkeit des Orchesters sicher sein. So schön, so rund, so vollendet routiniert und dabei gar nicht uninspiriert im Einzelnen: So spielen das eben wirklich nur die Wiener Philharmoniker.
Und davor – man will schließlich auch schauen – bewegte sich Thomas Hengelbrock: eine ziemlich perfekte choreographische Nummer, in allerbester Übereinstimmung zu dem, was man im Moment hörte. So leitet die Demokratie der Könige ihren Vor-Steher. Das Konzert war ein ur-starkes Plädoyer für die Volksherrschaft, die sich in diesem Fall ja auf hoch reflektierter Ebene manifestiert.
Ein paar Mal hätte Dirigieren freilich schon gut getan: Wenn im langsamen Satz der Jupiter-Symphonie die Holzbläser, die Fagotte zumal, ihre Tonwiederholungen ein wenig zu schnell davon rollen, dann könnte ein Dirigent, spätestens beim zweiten Mal, sie ein wenig einzubremsen versuchen.
Trotzdem in Summe zwei wunderbare Stunden für Mozart. Auch in den drei Arien. Wenn einem Diana Damrau und dann die nach-nominierte Genia Kühmeier quasi unter den Fingern zerrinnen, dann könnte einem der Veranstalter fast leidtun. Muss in dem Fall nicht. Die lettische Sängerin Marina Rebeka, die 2009 bei den Festspielen debütiert hat (da sang sie in Rossinis „Moise et Pharaon“ unter Muti) ist international längst viel gefragt. Unlängst ist von ihr eine CD mit Opernarien herausgekommen, und ihre Mozart-Kompetenz hat sie am Samstag selbstbewusst herausgestrichen: Die Gräfinnen-Arie „Dove sono“ legt sie ganz ohne Lamento und schon ganz und gar ohne Resignation an: Man denkt da eher an aufgestachelte emanzipatorische Gedanken… Die voluminöse Stimme der Marina Rebeka verliert auch in Koloraturen nicht an Rundung, wie man in der Einlage-Arie für die Donna Anna (das Rondo „Non mi dir, bell’idol mio“) eindrucksvoll vorgeführt bekam. Eine profilierte Mozart-Sängerin, es wäre höchste Zeit, sie regelmäßig nach Salzburg zu holen.