Mit Geist und Witz erhebend und bewegend
MOZARTWOCHE / CHAMBER ORCHESTRA OF EUROPE / AIMARD
30/01/15 Eine überlange, aber nie langweilige Matinee mit Pierre-Laurent Aimard und Mitgliedern des Chamber Orchestra of Europe war das im Großen Saal. Wolfgang Amadé Mozart und Elliott Carter passten gut zusammen.
Von Gottfried Franz Kasparek
Mozart, der Frühverstorbene, und Carter, der mit 103 Jahren noch komponiert hat. Die „luzide Klassizität“, die Carter nachgesagt wird, ist in seinem bewunderungswürdigen Spätwerk eine kompositorische Grundhaltung, die mit größter Selbstverständlichkeit harmonische Experimente und avantgardistische Einsprengsel mit einbezieht. Und doch Grenzen kennt. Da wird nicht mit Geräuschen hantiert, da werden die Instrumente nicht ihrem Zweck entfremdet. Und da klingt alles unverkennbar persönlich. Mitunter scheint das Kunsthandwerk überhand zu nehmen, aber wer will das einem Meister vorwerfen, der unermüdlich und auf höchstem Niveau seine Noten schrieb, vergleichbar mit Barockkomponisten wie Telemann?
Es gibt Kostbarkeiten, gerade aus den allerletzten Jahren. Etwa ein Duettino und ein Duettone, ein kleines und ein großes Duett für Violine und Violoncello, entstanden 2009. Der 101jährige verband darin echte Kantilenen mit schmissigen Pizzicati, melodische Aufschwünge mit feiner Rhythmik. Die Geigerin Lorenza Borrani und der Cellist Richard Lester brachten den geistvollen Witz der Komposition auf den Punkt. Oder wenn sich Carter, ein Schüler der Nadja Boulanger und in seiner Jugend „American in Paris“, anno 2002 in einem funkelnden Duo für Fagott und Viola an eine Kurzgeschichte Arnold Schönbergs mit dem Titel „Zu den Kais“ erinnert und diese französisch „Au Quai“ nennt, was englisch wie „okay“ klingt.
Carter konnte auch elegisch „singen“, zum Beispiel in „Inner Song“ für Oboe solo, oder eine nahezu romantische Hornetüde schreiben, oder hoch Virtuoses für Flöte und Cello. Außer den schon Genannten sorgten Pascal Siffert (Viola), Clara Andrada (Flöte), Kai Frömbgen (Oboe), Bence Boganyi (Fagott) und Steven Stirling (Horn) in all diesen „Gustostückerln“ für vollendete Interpretationen.
Am Beginn hatten Steven Stirling und Beth Randell eine Auswahl aus Mozarts Hornduos KV 487 gespielt, tonschön mit Ventilhörnern. Kaum zu glauben, dass anno 1786 dabei Waldhörner zugange gewesen sein sollen. Die Ansprüche an Perfektion waren damals sicher nicht so hoch wie heute. Lorenza Borrani und Peter Siffert musizierten ohne Fehl und Tadel das Duo für Violine und Viola KV 424. Allen diesen Mozart-Petitessen ist gemein, dass auch hier der Witz sprüht und der Geist funkelt. Am Ende des ersten Teils spielte Pierre-Laurent Aimard in Carters zum Mozartjahr 1991 entstandenem Quintett für Klavier und Bläser, exakt in der Besetzung von KV 452, den energischen Führer durch eine höchst komplexe Tonwelt, die sich beim ersten Hören nicht leicht erschließt, aber voller Überraschungen steckt.
Die Komplexität liebte Elliott Carter auch an Mozarts Musik, besonders die „raschen Charakterabwechslungen“. Mozarts Klangsprache empfand er darüber hinaus als „zugleich erhebend und grenzenlos bewegend“. Und so klang dieses Konzert nach zweieinhalb Stunden aus, als Aimard mit der ihm eigenen Präsenz, glasklarem Anschlag und bewegend lyrischen Passagen dem Quintett KV 452 zu erhebender Wirkung verhalf. In merkbarem Gleichklang mit den Herren Frömbgen, Boganyi, Stirling und dem ebenso famosen Klarinettisten Richard Hosford.