Erstlinge und eine Seltsamkeit
MOZARTWOCHE / WIENER PHILHARMONIKER / OROZCO-ESTRADA
29/01/15 Diese beinahe geheimnisvollen „Cello-Schritte“ im Andante, über denen die Bläser kleine Kapriolen schlagen. Die Kraft des Eröffnungsmotivs und die feierlichen Akkorde im ersten Satz. Das schwungvolle Finale presto… Ein Achtjähriger soll das geschrieben haben? Es ist immer wieder ein Wunder, die Symphonie Es-Dur KV 16 zu hören.
Von Heidemarie Klabacher
Und es ist eine besondere Freude, wenn Dirigent und Orchester sich des zarten „Erstlings“ mit so großem Interpreten-Ernst und ebenso großem Musikanten-Spielwitz annehmen, wie Andrés Orozco-Estrada und die Wiener Philharmoniker. Andrés Orozco-Estrada feierte sein Debüt mit den „Wienern“ bei der Mozartwoche und begeisterte mit den symphonischen Erstlingen von Mozart, Schubert und Carter. Er überzeugte quasi vom ersten Takt an als ein wendig, temperamentvoll und kapellmeisterlich souverän gestaltender Debütant.
Nun, Wolferl war acht Jahre alt, als er KV 16 geschrieben hat, jene Symphonie Es-Dur, die als sein erster Beitrag zur Gattung gezählt wird. Franzl war hoffnungsvolle Sechzehn, als er 1813 seine Symphonie Nr. 1 D-Dur D 82 mit 28. Oktober datiert hat. Der Amerikaner Elliot Carter hat seine Symphonie Nr. 1 im Jahr 1942 erst mit 34 Jahren geschrieben, ist aber auch erst mit 104 verstorben. Elliott Carter (1908-2012) widmet die Stiftung Mozarteum heuer einen Schwerpunkt bei der Mozartwoche.
Die „Erste“ Carter – im ersten Satz rhythmisch komplex, dann wortreich gefällig – hat wenig Eindruck hinterlassen, trotz des durchgängig drängenden, manchmal jazzigen, Pulsierens, das Andrés Orozco-Estrada herzustellen wusste.
Ein Erlebnis war sein Zugang zur „Ersten“ Mozart. Orozco-Estrada hat die symphonische Petitesse mit unprätentiösem Drive zu strahlendem Leben erweckt – samt einigen überraschenden Blicken in erstaunlich ernste Gefilde im Andante - ohne dabei das feine kleine Stück mit überbordendem Gestaltungswillen zu erschlagen.
Spannend an der Wiedergabe der „Ersten“ Schubert war das spürbar gemeinsame Polieren von Orchester und Dirigent am strahlendem facettenreichen Klang, war das spürbar gemeinsame Schürfen in den Tiefenstrukturen dieses „Jugendwerkes“, denen etwa im ersten Satz Adagio durchaus bereits verstörende Momente innewohnen. Heiter war die Vision vom Frühlingserwachen der Vögel im Trio, „leichtfüßig stampfend“ das vorwärts drängende Allegro.
Und dann noch eine Art Schubert: Der Cellist Gautier Capucon setzte sich als Solist im Concerto a-Moll für Violoncello und Orchester von Franz Schubert und Gaspar Cassadó gekonnt in Szene. Der Cellovirtuose Cassadó hat um 1920 herum die Sonate a-Moll für Arpeggione und Klavier D 821 für sich als Virtuosenstück gesetzt und bearbeitet. Gautier Capucon hat spürbar wenig Gedanken an das Original verschwendet und die Gelegenheit zum Schön- und Schnellspielen nicht ungenutzt verstreichen lassen.