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Mozart-Wechselbäder

MOZARTWOCHE / CAMERATA / VALCUHA

27/01/15 Das Gipfeltreffen der Mozart-Pianisten am Nachmittag fand am Montag (26.1.) abends eine eigenartige Fortsetzung: Piotr Anderszewski stellte seine höchst ambivalente Sichtweise des G-Dur-Klavierkonzerts KV 453 zur Debatte. Mit dem Dirigenten Juray Valčuha schien er nicht immer einer Meinung zu sein.

Von Gottfried Franz Kasparek

Anderszewski erstaunte zunächst mit einem zwar sorgfältig exekutierten, aber mit wenig Inspiration und in sonderbarer Trockenheit ablaufenden Allegro. Die Camerata Salzburg und der junge slowakische Dirigent Juraj Valčuha assistierten zweckdienlich.

Doch im Andante blieb plötzlich mehrmals die Zeit stehen. Tatsächlich, im Wortsinn. Der Pianist begann sozusagen spielend zu grübeln, arbeitete die oft verleugneten frühromantischen Sphären dieser dem Barock längst entfleuchten Musik heraus, fand zu warmer Tongebung – und bewies Mut zur Pause. Zu Pausen, welche die Mitspieler zu verblüffen schienen. Der ganze Satz gewann dadurch eine nahezu „moderne“ Dimension zwischen harmonischem Experiment und Improvisation. Es ist immer wieder erstaunlich, wie viel und wie polarisierend mit und über Mozart erzählt werden kann. Auch im Finale herrschte dann zunächst kontemplative Spannung, ehe ein schmissiges Presto-Finale alle Beteiligten einigte.

Anderszewskis Zugabe galt einer ebenfalls romantisch akzentuierten Bach-Exkursion. Übrigens sollte man Solistinnen und Solisten vertraglich dazu verpflichten, ihre Zugaben anzusagen. Das Publikum hat ein Recht auf Information, es besteht auch nicht aus lauter Spezialisten – und wer erkennt schon alle Bach-Stücke und Bach-Bearbeitungen auf Anhieb? Die Komponisten wiederum haben ein Recht auf Nennung, auch wenn sie schon lange tot sind.

Vor dieser interessanten Klavier-Expedition hatte Juraj Valčuha erfreulich kapellmeisterliche Tugenden bei Franz Schuberts dritter Symphonie bewiesen, auch wenn die ersten drei Sätze insgesamt etwas hemdsärmelig und mit mehr Derbheit als Esprit daher kamen. Im Finale des Stücks siegte dann der Spielwitz. Dass Schubert im ersten Satz mit dem jeder klassischen Regel widersprechenden Zitat der langsamen Einleitung in der Reprise einen Sprung hin zu Mahler gewagt hat, wurde zu wenig hörbar. Dass das doppelbödige Tarantella-Finale Mendelssohns „Italienische“ vorweg nimmt, wurde schön zum Klingen gebracht.

Zum Höhepunkt des Abends wurde freilich Mozarts „Linzer Symphonie“, denn da kamen nicht nur die klangrednerischen Qualitäten der Camerata auf Schönste zum Vorschein, sondern auch der Dirigent lief zur Hochform auf. Ohne das Stück zu verhudeln, was heutzutage oft passiert, sondern mit gezielter und schlüssiger Tempo-Dramaturgie, dem Sinn für Verweilen, ohne die Spannung zu brechen, mit Präzision und musikantischem Temperament machte Juraj Valčuha klar, dass mit ihm als Mozart-Interpret zu rechnen ist. Herzlicher Applaus.

ORF-Sendung: Dienstag, 27.1., 10.05 Uhr, Ö1
Bilder: ISM / Wolfgang Lienbacher

 

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