Der Hundertjährige, der…
MOZARTWOCHE / CAMERATA / HERAS-CASADO / PAHUD
23/01/15 … nein aus dem Fenster gestiegen ist er nie, soweit der Musikwissenschaft bekannt. Aber als Neunundneunzigjähiger hat er ein Flötenkonzert geschrieben und als Hundertjähriger hat er Gedichte vertont: Elliot Carter.
Von Heidemarie Klabacher
Die Camerata Salzburg und der Solist Emmanuel Pahud bringen das Flötenkonzert von Elliot Carter unter der Leitung von Pablo Heras-Casado am 31. Jänner im Großen Saal des Mozarteums zur Österreichischen Erstaufführung. Elliot Carter ist neben Mozart und Schubert einer der Schwerpunktkomponisten der am Donnerstag (22.1.) eröffneten Mozartwoche. Ebenfalls zur Österreichischen Erstaufführung kommt Carters „What Are Years“ aus 2009: Ein Werk, das allein vom Titel her perfekt zu dem mit 103 Jahren verstorbenen passt - und ein Werk, „in dem der damals Hundertjährige fünf Gedichte der amerikanischen Lyrikerin Marianne Moore (1887–1972), die unter anderem wie später Carter mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde, zu einem Liederzyklus für Sopran und Kammerensemble zusammengefasst hat.“
„Jahrelang hatte Carter alle Anfragen von Solisten betreffend eines Flötenkonzertes abgewiesen: Er war der Ansicht, dass das Instrument nicht in der Lage wäre, jene scharfen Attacken auszuführen, die er in seinen Werken immer wieder verlangte. Aber im Laufe der Zeit wandelte sich sein Bild von der Flöte.“ Das schreibt Walter Weidringer im Almanch. Das Ergebnis dieser veränderten Sichtweise war jedenfalls das „Flute concerto“ aus 2008 für Flöte und Ensemble. Es hat also einige Zeit gedauert, bis der amerikanische Komponist vertrauen gefasst hat und die Klang- und Durchschlagskraft der Flöte. „Die Vorstellung der Schönheit ihrer verschiedenen Register sowie ihrer außerordentlichen Beweglichkeit zog den Komponisten immer mehr an“, so Weidringer.
Dann habe Elena Bashkirova den Komponisten um ein neues Werk für das Jerusalem International Chamber Music Festival gebeten und Carter begann, ein Flötenkonzert zu schreiben. „Nach einem halben Jahr nahezu ununterbrochener und faszinierter arbeit war die Partitur schließlich im März 2008 fertig – drei Monate nach Carters 99. Geburtstag. Am 9. September 2008 erfolgte die Uraufführung durch Emmanuel Pahud und das Jerusalem International Chamber Music Ensemble unter Daniel Barenboim.“ Seither habe sich das „nachdenklich-quecksilbrige, etwa eine Viertelstunde dauernde Werk als bedeutender zeitgenössischer Beitrag zum Flötenrepertoire etablieren können.“ Der Starflötist Emmanuel Pahud nimmt sich des Werkes auch bei der Mozartwoche an.
Den Sopranpart in „What Are Years“ übernimmt bei der Mozartwoche Kerstin Avemo. Die Uraufführung fand 2009 mit Claire Booth und dem Ensemble Intercontemporain unter Pierre Boulez beim Aldeburgh Festival statt. „Marianne Moore zeige in ihrem großartigen Schaffen eine mitunter beißende Ironie, aber auch eine ganz persönlich gefärbte Faszination für das Leben, fand Carter, der mit seiner Vertonung einige der vielen Facetten der Autorin zu musikalischem Leben erwecken wollte. Sein großer Respekt vor der Kraft ihrer Sprache bildet sich in der Setzweise der Singstimme ab: Mit ihr überhöht Carter gleichsam einen natürlichen Vortrag auf expressive Weise, achtet aber penibel darauf, dass Wortdeutlichkeit und Sinnzusammenhänge möglichst durchgehend gewahrt bleiben.“
Die Camerata Salzburg unter der Leitung von Pablo Heras-Casado eröffnet ihre Mozartwochen-Matinee am 31. Jänner mit Schuberts Symphonie Nr. 2 B-Dur und beschließt es mit Mozarts Symphonie Es-Dur KV 543.