Methusalem und Frühvollendete
MOZARTWOCHE / WIENER PHILHARMONIKER / ANDRÉS OROZCO-ESTRADA
20/01/15 Elliot Carter (1908 bis 2012). Das liest sich so selbstverständlich, muss man sich dennoch immer wieder bewusst machen: Der amerikanische Komponist ist weit über hundert Jahre alt geworden und hat noch in seinem Todesjahr komponiert. Die „Erste“ Carter, Schubert und Mozart stehen auf dem Programm im zweiten Mozartwochen-Konzert der Wiener Philharmoniker.
Von Heidemarie Klabacher
Neben Mozart und Schubert steht Elliot Carter im Mittelpunkt der Mozartwoche 2015. Kammermusik und Orchesterwerke stehen auf dem Programm. Im zweiten Konzert der Wiener Philharmoniker am 28. Jänner steht neben Schuberts „Erster“ und Mozarts früher Symphonie Es-Dur KV 16 auch die „Erste“ Carter auf dem Programm.
Den symphonischen Erstlingen zweier „Frühvollendeter“, die nicht einmal in die Nähe ihres „Vierzigers“ gekommen sind, steht er erste Symphonische Streich eines späteren Methusalems gegenüber.
1942 hat Carter seine „Erste“ geschrieben. In dieser Zeit wandte er sich „dem Ideal einer neuen Einfachheit zu, wie sie auch aus Werken von Zeitgenossen wie Aaron Copland klang“, schreibt Clemens Panagl im Almanach zur Mozartwoche. „Carter komponierte seine Symphony Nr. 1 für einen kleinen Orchesterapparat.“ Eine Intention des dreisätzigen Werkes sei es auch gewesen, „die Landschaft und die Küste von Cape Cod in New Mexico einzufangen“. Dort habe Carter 1939 seine Frau Helen geheiratet, der die Partitur gewidmet sei. „1954 unterzog Carter das Werk einer Revision.“ Auch schon wieder einige Zeit her.
Im Eröffnungssatz sorgten „Tempomodulationen, mehrdeutige Harmonik sowie konstant weiterentwickelte Motive für eine Aura stetiger Veränderung“. Im hymnischen zweiten Satz habe Carter mit einer 27 Takte langen Melodielinie einen starken Kontrast zum Beginn hergestellt. Der dritte Satz, der chronologisch älteste, entstamme noch dem Material zur Pocahontas-Suite aus dem Jahr 1939. „Das Klarinettensolo in diesem Finale zeugt auch davon, wie Carter die Entwicklungen des Jazz in seine Kompositionssprache
einfließen ließ.“
Wie Mozart noch klein war, war auch die Gattung der Symphonie noch jung. Und KV 16 ist zwar die früheste erhaltene, vielleicht aber nicht die allererste Symphonie Mozarts. „In der Bewertung des Frühwerkes durch die Nachwelt lassen sich Parallelen zu Schubert sehen. auch in Mozarts frühem Schaffen ist die Frage nach Modellen und Vorbildern oft zentral. Zugleich ist die früh erkennbare Eigenständigkeit ein Leitmotiv in der Rezeptionsgeschichte geblieben“, heißt es im Almanach. „In KV 16 hält sich der junge Mozart einerseits klar an das dreisätzige Formmodell der Zeit – mit einem Allegro als Eröffnungssatz, einem liedhaften Andante an zweiter Stelle und einem Presto-finale. Im Autograph ist zu erkennen, dass der achtjährige den Umgang mit Tinte und Feder noch übt.“
Acht Jahre älter war Schubert, als er seine „Erste“ schrieb. „Das Werk zeugt von der Energie eines jungen Komponisten aus, der ‚mit unbändigem Schwung die Welt der Instrumentalmusik erobert’. … Doch die öffentliche Uraufführung fand erst ein halbes Jahrhundert nach Schuberts Tod in London statt: 1881 wurden in einem Zyklus alle seine Symphonien gespielt.“
Neben der „Ersten“ Schubert erklingt im Konzert der Wiener Philharmoniker am 28. Jänner unter der Leitung von Andrés Orozco-Estrada im Großen Festspielhaus das Concerto a-Moll für Violoncello und Orchester. Das ist eine Bearbeitung der Sonate a-Moll D 821 „Arpeggione“: Der spanische Cellovirtuose und Komponist Gaspar Cassadó i Moreu (1897–1966) hat 1920 aus der Arpeggione ein Konzert für Violoncello und Orchester gemacht. Solist ist Gautier Capucon.