Menahem Pressler und seine Jungs
MOZARTWOCHE / EMERSON STRING QUARTET / MENAHEM PRESSLER
25/01/13 Gleich mit dem ersten Kammerkonzert erlebte die Mozartwoche ihren ersten Höhepunkt: Das Emerson String Quartet spielte zusammen mit dem Pianisten Menahem Pressler Mozart und nichts als Mozart – mit einem überirdischen Hauch Brahms als Zugabe.
Von Heidemarie Klabacher
Wie kaum ein zweites Streichquartett erlaubt es das Emerson String Quartet dem Zuhörer bei vollendet ausgewogenen Gesamtklang zugleich jeder einzelnen Stimme zu folgen. Ermöglicht es, egal ob im piano oder im forte, den Urheber jedes einzelnen Halbtonschritts ausfindig zu machen, der eine einfache Kadenz ins Elysium oder ins Purgatorium wendet.
Das begann am Freitag (25.1.) bei der beinahe marathon-langen Matinee im Großen Saal schon mit dem Streichquartett D-Kur KV 499, dem „Hofmeister-Quartett“. Mit geradezu exzessiv vorbildlicher „Klassizität“ eröffneten Philip Setzer, Eugene Drucker, Lawrence Dutton und David Finckel den ersten Satz Allegretto. Doch alsbald führten sie aus diesen arkadisch heiteren Regionen in jene geheimnisvoll düsteren Gefilde, in denen Vorfahren von Erlkönigs Tochter oder Mendelssohns Elfen gewohnt haben: Gegenden, geprägt von einer irrlichternden Atmosphäre, in der keineswegs unbedroht zu wandeln ist. Auch im Adagio führte das Emerson String Quartet von Gesanglichkeit und liedhafter Lieblichkeit in beinahe schon romantisch abgründige Gefühlswelten. Impulsiv, gespannt federnd und voller Schwung das Molto Allegro, in dem Heiterkeit und Ironie den gefährlich drohenden chromatischen Abstiegen Einhalt geboten.
Eine Streichquartett-Wiedergabe, die allein schon zu mehrseitigen Elogen führen müsste. - Wäre dann nicht zum Quartett Es-Dur KV 493 der Pianist Menahem Pressler dazugekommen.
Der kleine Herr, Jahrgang 1923, den man an seinem Platz am Klavier hinter den Streichern kaum sehen konnte, gab mit sanfter Klarheit und heiterer Intensität den Ton an. Der Neunzigjährige prägte mit seinem überirdisch feinen Klavierton die Atmosphäre – sei es in den hinreißenden dialogischen Intermezzi mit der ersten Geige (die in diesem Werk Eugene Drucker spielte), sei es mit allen drei Streichern.
Hier wurde nicht einfach perfekt Geprobtes perfekt musiziert. An diesem Vormittag schien mehr auf der Bühne zu passieren. Hier entstand vor staunenden Augen und glücklichen Ohren Neues, Einzigartiges: Menahem Pressler ließ seine Zuhörer teilhaben an den Früchten der Arbeit eines ganzen Musikerlebens, sich mitfreuen an ungebärdiger Spiellust und der Inspiration des Augenblicks.
Das galt für das großformatige Allegro und das überirdische Larghetto ebenso, wie für das heitere dabei thematisch so vielschichtige Allegretto, in dem sich immer wieder die Heiterkeit Bahn bricht. Wie liebevoll Menahem Pressler jeden einzelnen Ton in jeder noch so virtuosen Kaskade gestaltete und zur Vollendung rundete! Wie heiter und intensiv der Kontakt zwischen den vier Musikern spürbar war – und übersprang auf ein dadurch sehr konzentriertes und gespannt lauschendes Publikum: eine Sternstunde, die damit aber nicht zu Ende war.
Mit Adagio und Fuge c-Moll für Streichquartett KV 546 eröffneten die Emersons den zweiten Teil, setzten mit der markant und unprätentiös artikulierten Fuge einen Anknüpfungspunkt für die ebenso liebevoll wie virtuos musizierten Fugeneinsätze im ersten Satz des Quartetts g-Moll KV 478: eine Cresecendo-Studie nicht der Lautstärke, sondern der Intensität. Schier ins Unendliche spannen Pianist und Streicher die Melodien des Andante.
Leider habe Mozart kein Stück für ganzes Streichquartett und Klavier geschrieben, sagte Menahem Pressler beim Schluss-Applaus. Daher würden er „und seine Jungs“, die er seit dreißig Jahren kenne, den langsamen Satz aus dem Brahms Quintett als Zugabe spielen. Zugabe? Nein, ein Geschenk. Nichts weniger.