Die beiden Opern-Parodien schlechthin
MOZARTWOCHE / WIENER PHILHARMONIKER
04/02/24 Solche Sopran-Zicken muss man erst finden für Mozarts kleines Singspiel Der Schauspieldirektor. Und die Eifersüchteleien zwischen Librettist und Maestro in Antonio Salieris Prima la musica e poi le parole haben sich auch gewaschen. – Eine Episode der Never-ending-Story „Mozart und Salieri“ im letzten „Philharmonischen“ dieser Mozartwoche.
Von Reinhard Kriechbaum
Manchmal sind die Ideen der Programm-Macher unergründlich. Es wäre nahe gelegen, jene beiden Musikkomödien, die am selben Abend, dem 7. Februar 1786, in belebender Konkurrenz zueinander in der Orangerie des Schlosses Schönbrunn uraufgeführt wurden, konzertant zu geben. Das wäre mit den Wiener Philharmonikern und dem temperamentvollen Andrés Orozco-Estrada am Pult ein Luxus-Event sondergleichen geworden zum Festivalausklang. Wollte nicht sein, es blieb am Samstag (3.2.) im Großen Festspielhaus bei einer Schmankerl-Verkreuzung aus beiden Werken in der zweiten Konzert-Halbzeit. Davor eine Mozart-Symphonie und ein Haydn-Cellokonzert.
Da haben also Mozart und Salieri, die zwei besten Musikdramatiker ihrer Generation (Gluck lebte gerade noch, war aber längst aus der Mode) im Auftrag von Kaiser Joseph II. Komödien über den Opernbetrieb geschrieben. Beiden fehlte es nicht an einschlägiger guter und schlechter Erfahrung mit Bühnenmenschen. Und beide Komponisten hatten unzweifelhaft die Fähigkeit nicht nur zum Karikieren, sondern auch zur Selbstironie. Deshalb gehören Der Schauspieldirektor und Prima la musica e poi le parole zusammen wie ein siamesischer Zwilling.
Vorprogrammiert der Sopranistinnen-Streit, wenn Kathryn Lewekals Madame Herz und Serena Sáenz als Mademoiselle Silberklang hochdramatische Krokodilstränen tropfen lassen und feurige Koloraturen in allerhöchste Höhen hinausschleudern. Die beiden Sängerinnen zogen alle Register. Überraschungsgast, nicht im Programmheft angekündigt: Rolando Villazón hat als Monsieur Vogelsang versucht, die zänkischen Streit-Hennen zu beschwichtigen, mit seinem händeringend vorgebrachten Pian Piano! Pianissimo!.
Nett, weil gar nicht bekannt: Mozart-Sohn Franz Xaver hat für eine Aufführung des Schauspieldirektors eine Einlagearie geschrieben, Ich bin der erste Buffo. Der kann's legato und staccato, crescendo und diminuendo, runter aufs F und „fistulierend“ hoch hinauf – auch die Herren auf der Bühne wissen ihre Fähigkeiten und Eitelkeiten ins rechte Licht zu rücken und zu verteidigen, selbst wenn sie nicht Tenöre sind...
Der Bariton Theodore Platt war dieser Buffo, der dann bei Salieri als Poeta gegen den Maestro Nahuel Di Pierro ins Feld zog. Es war nicht nur ein Heidenspaß, sondern auch ein respektables Sängerfest. Bei allen Beteiligten wirkte jede gestalterische Outrage aufgefangen und gerechtfertigt durch akkurate Textgestaltung und ausgefeilte Technik. Umso mehr bedauerte man, nur eine Instantfassung erlebt zu haben. Der Dirigent tat sein Bestes, den Zuhörern einen inhaltlichen Leitfaden zu legen.
Zuvor also Mozarts eigentlich als Opernouvertüre gemeinte Sinfonie G-Dur KV 318, für die Andrés Orozco-Estrada und die Wiener Philharmoniker einander wohlmeinend Laissez-faire gewährt haben. Der Andante-Abschnitt wäre wohl nicht als Einschlaflied gedacht. Die Sache von Andrés Orozco-Estrada ist jedenfalls das zugespitzte Allegro.
Vollends freie Hand ob der etwas unterbelichtet gestalteten Orchesterbegleitung hatte dann Sol Gabetta in Haydns Cellokonzert C-Dur Hob. VIIb:1 – aber das war in diesem Fall kein Manko. Gibt es zur Zeit jemand anderen in der Cello-Welt, der diesen Solopart mit vergleichbarer Elegance rüber bringt? Weil's tonlich so wundersam ebenmäßig, technisch derart makellos und dabei in der Artikulation von belebender Frische getragen war, muss man extra dran erinnern: Das ist eines der anspruchsvollsten und exponiertesten Konzerte für dieses Instrument überhaupt.