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Das aufgehobene Giftfläschchen

MOZARTWOCHE / MARIONETTENTHEATER / MOZART UND SALIERI

28/08/24 Nikolai Rimsky-Korsakows Einakter Mozart und Salieri nach Alexander Puschkins gleichnamiger „kleiner Tragödie“ über die Giftmordlegende ist sogar für einen kurzen Abend zu kurz. Doch nicht nur deswegen gibt es nun im Marionettentheater ein ganz und gar dem verleumdeten Antonio Salieri gewidmetes Vorspiel.

Von Gottfried Franz Kasparek

Puschkin nahm die „Fake News“ aus Wien anno 1830 wohl für bare Münze, ob Rimsky dies 1895 auch noch so ganz geglaubt hat, wissen wir nicht. Ihm ging es wohl vor allem, wie auch seinen „Amadeus“-Nachfolgern, um den Konflikt zwischen einem bloß talentierten und einem genialen Komponisten. Seinem Dramolett stellte das einfallsreiche Team der Produktion, einer eine Koproduktion von Mozartwoche, Universität Mozarteum und Marionettentheater, einen kleinen, feinen, frei erfundenen Monolog einer Sängerin namens Isora voran. Die alternde Dame erinnert sich an ihre glanzvolle Jugend in Wien, wo ihr, noch als Junggeselle, Maestro Salieri nicht nur virtuose Arien schrieb, sondern auch als leidenschaftlich Verliebter zu Füßen lag. Seiner Erklärung, ohne sie nicht leben zu können, begegnete sie allerdings mit der Überreichung eines Giftfläschchens. Der Abgewiesene bewahrte es auf...

In den witzigen Monolog ist Musik Salieris eingeflochten. Auf ein kurzes. prägnantes Opernvorspiel folgen eine dramatische, eine lyrische und eine volkstümliche Arie aus Stücken, die alle in Wien uraufgeführt wurden. Dies ist handwerklich meisterhafte und hübsch inspirierte Musik der frühen Klassik, durchaus auf der Höhe ihrer Zeit. An die visionären musikdramatischen Höhenflüge und die melodische Ausnahme-Begabung Wolfgang Amadés sollte man dabei nicht denken, aber mit Johann Christian Bach oder Giovanni Paisiello kann Salieri bestens mithalten.

Die junge russische Sopranistin Ekaterina Krasko singt das mit blühender Stimme und schönem Ausdruck, die markante Sprechstimme kommt von Swetlana Schönfeld vom Band, die von Maximilian Kiener mitgebaute und souverän geführte Puppe ist eine Kreation des phantasievollen Regisseurs, Ausstatters und Texters Matthias Bundschuh. Letzterer hat auch den Text der folgenden Oper neu und allzu Blumiges vermeidend übersetzt und deren drei Figuren – Salieri, Mozart und ein blinder Geiger – als starke Puppen-Persönlichkeiten gestaltet, in einfachen, aber eindrucksvoll halbdunklen Räumen. Die Puppen führten perfekt Eva Wiener, Ursula Winzer und Philipp Schmidt.

Am Pult des elfköpfigen, hochkarätigen Kammerensembles der Universität Mozarteum waltet umsichtig und mit Menschen und Marionetten sensibel mitatmend Kai Röhrig, die musikalische Seele der Produktion. Da Rimsky-Korsakow seinen sonst üblichen, farbigen Orchesterglanz hier vermieden und die Partitur ganz klassisch für Streicher, Bläserquintett und zweites Horn komponiert hat, geht dies ohne wesentliche Einbußen. Die eingestreuten Klaviersoli und das Requiem-Zitat kommen vom Band (grandios: Hermann Scherchens Wiener Aufnahme 1958!) und „Là ci darem la mano“ erklingt ebenfalls aus dem Off in einer melancholischen Tangoversion mit Bandoneon.

Rimskys apartes Stück mit vielen klugen Mozart-Zitaten und einem einzigen, parodistischen von Salieri ist übrigens eine der ersten wirklichen Literaturopern, nach Dargomyschkys von Rimsky fertiggestellter Don Juan-Paraphrase Der steinerne Gast – der Text des Dramoletts ist praktisch unverändert in Musik gesetzt und arienlos durchkomponiert. Hinter der guten deutschen Neuübersetzung schwebt freilich merklich die russische Sprachmelodie.

Der junge estnische Bariton Brett Pruunsild (Jahrgang 2001!) verblüfft und erfreut als Besitzer einer balsamisch timbrierten Stimme und als exakt artikulierender Salieri. Sein bayerischer Tenorkollege Konstantin Igl steht da als Mozart nicht nach – mit schön fokussierter Lyrik und feiner Stimmführung ist er ein würdiger Nachfolger eines Peter Schreier, der das Stück einst mit Theo Adam auf Deutsch eingespielt hat.

Übrigens gibt es alle drei „kleinen Tragödien“ Puschkins als „kleine Opern“ – Cèsar Cui, Rimskys Freund und Kollege vom „Mächtigen Häuflein“, vertonte 1901 Das Gelage während der Pest, Sergej Rachmaninow 1904 das Stück Der geizige Ritter. Wäre das nicht einmal eine lohnende Trilogie an einem Abend?

Weitere Vorstellungen im Rahmen der Mozartwoche im Marionettentheater: 31, Jänner, 3. und 4. Februar – mozarteum.at/mozartwoche; marionetten.at
Bilder: Salzburger Marionettentheater / Bernhard Müller

 

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