Fleisch und Blut statt Marmorstein
HINTERGRUND / MOZARTWOCHE / LA CLEMENZA DI TITO
12/01/24 „Nachdem der für die Aufgabe vorgesehene Hofkapellmeister Antonio Salieri wegen Arbeitsüberlastung absagen musste, war der Auftrag an Mozart gegangen.“ Eh besser so. Mozart freilich dürfte einigen Stress gehabt haben mit dem ehrenvollen Auftrag, eine Festoper zur Krönung Leopolds II. zum König von Böhmen aus dem Hut zu zaubern.
Von Heidemarie Klabacher
„Spätestens seit der letzten Juli-Woche 1791 muss der Komponist in großer Eile an der Krönungsoper gearbeitet haben“, schreib Ulrich Konrad im Almanach zur Mozartwoche. „Vermutlich am 25. August brach er von Wien nach Prag auf. Dort komponierte er seit dem 28. August noch mehrere Stücke, verfasste die SeccoRezitative oder ließ sie von einem Gehilfen ausarbeiten. Die Premiere des Werks am Abend des 6. Septembers fand unter Mozarts Leitung vor einem ausgesuchten aristokratischen Publikum im überfüllten Nationaltheater statt.“
Der Applaus dürfte enden-wollend gewesen sein. „Man hat uns mit einem höchst langweiligen Schauspiel La Clemenza di Tito bedient“, schrieb Johann Karl Graf Zinzendorf in sein Tagebuch Kaiserin Maria Louisa war noch deutlichier, weiß Ulrich Konrad: „Am Ende abends im Theater ist die große Oper nichts besonderes und die Musik sehr schlecht gewesen, so dass wir beinahe alle geschlafen haben“. Dem Publikum der folgenden öffentlich zugänglichen Aufführungen dürfte La Clemenza di Tito besser gefallen, die Aufnahme sich „bis zur letzten Vorstellung am 30. September sogar zu einem gewissen Enthusiasmus gesteigert zu haben“.
Die „Story“ zwischen amouöser Verwirrung und politischer Verschwörung ist ja tatsächlich ein wenig knöchern. Der Kaiser, der sich vor Lauter Güte Liebe und Thron klauen lässt, ist ein ziemlicher Langeweiler und Antiheld. Ist Titus überhaupt die „Hauptfigur“, fragt auch Ulrich Konrad im Almanach: „Kaum jemand nimmt den Titel ernst, der la clemenza in die Mitte des Stücks rückt, also die Güte oder die Milde.“ Diese werde als „Attribut des Kaisers“ spezifiziert, aber um den Kaiser gehe es „nur in zweiter Linie“. Gemeinst sei nicht so sehr „der historische römische Kaiser Titus“ als „die idealisierte Herrschergestalt, als die er Jahrhunderte hindurch gesehen und zum Typ verfestigt wurde“. Milde sei, so Ulrich Konrad wohl seit der Antike eine prominente Herrschertugend, aber auch „und ideengeschichtlich wohl wichtiger“ eine Eigenschaft des christlichen Gottes... Was die Story – Mozart vertonte das von Caterino Mazzolà bearbeitete Libretto von Pietro Metastasio – nicht wirklich reißerischer macht. Formal ist die Clemenza keine reine streng-formelhafte opera seria mehr. Mozart selber schreibt – am 5. September 1791 in Prag – in seinem Werkverzeichnisvon von einer vera opera. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Der Gedanke, mit einer halbszenischen Aufführung gerade bei der Mozartwoche die überwältigende Musik Mozarts ins Zentrum zu stellen, ist mehr als gut zu heißen.
Die halbszenische Einrichtung für die Produktion in der Felsenreitschule besorgten Rolando Villazón und Bettina Geyer. Jordi Savall dirigiert Le Concert des Nations und den Philharmonia Chor Wien. Die Titelpartie singt Edgardo Rocha. Als Vitellia, Sesto und Servilia sind Hanna-Elisabeth Müller, Magdalena Kožená und Christina Gansch zu erleben. Premiere ist am 25. Jänner.
Die Mozartwoche 2024 von 24. Jännner bis 4. Februar – Konzerte, Karten, Informationen mozarteum.at – mozarteum.at
Bild: www.edgardorocha.com / OperaBase.