Mit Spiellaune und Können
MOZARTWOCHE / ORQUESTRA IBERACADEMY MEDELLÍN
05/02/23 Das Gastspiel des Orquestra Iberacademy Medellín aus Kolumbien! Welch ein Genuss, wenn begabte junge Leute mit Herzenslust und Temperament Mozart spielen, ganz ohne aufgesetzte Würde und Weihe – und die Freude am Musizieren ins Gesicht geschrieben!
Von Gottfried Franz Kasparek
Alejandro Posada hat in Wien studiert und ist ein wahrlich anfeuernder, dabei aber auf fein modellierte Details nicht vergessender Dirigent. So wird das Finale des Konzerts zur Überraschung. Was, schon wieder, zum dritten Mal in vier Wochen in Salzburg, die Zwischenaktmusiken zu Thamos, König von Ägypten? Ein kunstgewerblich gestricktes Gelegenheitsstück, das man gelegentlich gern hört, aber bitte nicht bei jeder Gelegenheit? Chapeau, man hört es diesmal wie ein anderes Stück!
Maestro Posada nimmt die Tatsache, dass es sich um Theatermusik handelt, ernst, aber nicht bierernst. Deutschsprachiges Theater war um 1777 meist ein buntes Spektakel, auch dann, wenn es Intrigen in der Pharao-Familie behandelte. Also hört man diesmal weniger getragene Freimaurerei und mehr handfeste Dramatik. Das oft so endlos anmutende Andante wird flott und ohne alle Wiederholungen genommen. Davor und danach erfreut die Interpretation durch kecke Frische und geschärfte Akzente, wie sie Mozart in dieser „Sturm und Drang“-Zeit häufig setzte.
Schon zu Beginn der Matinee am Samstag (4.3.) hat die Symphonie G-Dur KV 318, eigentlich eine Opernouvertüre ohne Oper und in etwa derselben Zeit wie Thamos entstanden, aufhorchen lassen, so unverstellt stürmend und drängend kam sie daher. Das Orchester trat zwar in recht großer Besetzung an, mit acht ersten Violinen und so weiter, aber Mozart hat in dem eher selten gespielten, pausenlosen Stück mit vier Hörnern, zwei Trompeten und Pauken auch schon ziemlich aufgetrumpft. Das rein lateinamerikanische Kollektiv mit Sitz in Medellín nimmt nicht nur mit ansteckender Spiellaune, sondern auch mit transparentem Klang, sonoren Streichern und vielen schönen Bläsersoli für sich ein. Es ist das Aushängeschild eines hoch ambitionierten Jugendprojekts mit vielen Partnerschaften, so auch einer mit der Stiftung Mozarteum. Am Konzertmeisterpult agiert souverän Krzysztof Wisniewski, ein aus Polen stammender Geigenprofessor mit vor allem spanischer Karriere und das einzige weiße Haupt in der Menge.
Zwischen den orchestralen Stücken gab es Arien, gesungen vonn Emily Pogorelc, einer jungen, sich offensichtlich in dieser Umgebung pudelwohl fühlenden US-Amerikanerin, die an der Münchner Staatsoper zum Beispiel schon als Cherubino, Hänsel und in Opern unserer Zeit Erfolge feiert. Auch auf dem Konzertpodium ist zu bemerken, dass die in Bewegung und Mimik agile Sopranistin ein echtes Bühnentalent ist. Ihre sehr tragfähige Stimme besticht mit einer wohllautenden Mittellage, mit strahlendem Silberklang in der Höhe und mit gestochen geschärften Koloraturen. Sie hat beste Anlagen für das lyrisch-dramatische Fach. Mitunter gerät die sympathische Sängerin in ihrer Emphase schon jetzt an die akustischen Grenzen des Raums. Ihre italienische Artikulation ist ebenso treffsicher wie ihre deutsche. Sie kann auch ganz wunderbar mit Augenzwinkern gestalten, wenn es um Textblüten wie die „wollüstigen Gegenstände“ in der Arie der Zaide, Ruhe sanft, mein holdes Leben, oder in Nehmt meinen Dank, ihr holden Gönner KV 383 um eine Dame geht, die mit den Worten „ich, nur ein Weib, vermag es nicht“ ihr Licht unter den Scheffel stellt – um dann doch alles zu vermögen. In der Arie der Giunia aus Lucio Silla und dem konzertanten Meisterstück Bella mia fiamma, addio KV 528 kann Emily Pogorelc ihre Begabung zu ausdrucksstarker Theatralik zeigen, dabei mitatmend und nie zu laut von Alejandro Posada begleitet.
In der ersten der beiden folkloristisch-lateinamerikanisch zündenden Zugaben kehrte sie wieder und auch die spanische Sprache ist ihr nicht fremd. Nebenbei: Warum kommen österreichische Jugendorchester kaum jemals auf die Idee, eine resche Operettennummer oder eine fesche Polka als Zugabe zu spielen? – Der Erfolg der Gäste aus Kolumbien war ein allgemeiner und großer. Schade, dass das Konzert vor einem gesperrten Rang stattfand, da man mit den wenigen dort verkauften Plätzen das Parterre auffüllte.
Bilder: ISM / MariaSteinocher