Edle Routine
MOZARTWOCHE / PHILHARMONIKER
05/02/23 Das war also das zweite Requiem in dieser Mozartwoche. Nach der alt-tönenden Sicht des achtzigjährigen Jordi Savall jene von dem noch nicht dreißigjährigen Thomas Guggeis. Oder sagen wir ehrlicherweise: Diesmal die Sicht der Wiener Philharmoniker und des Singverein-Einstudierers Johannes Prinz. Schlecht?
Von Reinhard Kriechbaum
Warum es zwei Aufführungen des Requiems haben sein müssen, hat sich nicht erschlossen. Dass es total anders klingt, wenn Savall zwanzig Sängerinnen und Sänger hinstellt, gegenüber der Hundertschaft des Singvereins – das sollte man einem Mozartwochen-Publikum eigentlich nicht eigens vor Ohren führen müssen. Dass die Bassetthörner andere Wirkung tun als die Klarinetten der Wiener braucht man auch nicht erst zu beweisen. Die Frage ist, ob irgend etwas am Samstagabend (4.2.) anders gewesen wäre, wenn – wie ursprünglich geplant – Daniel Barenboim dirigiert hätte? Dann hätte man immerhin darauf verweisen können, dass es beide Dirigenten gemeinsam auf 160 Jahre bringen, und das wäre allemal ein Alleinstellungsmerkmal für die Mozartwoche gewesen.
Für Daniel Barenboim ist Thomas Guggeis übrigens auch schon am Pult von dessen West-Eastern Divan Orchestra eingesprungen, auf der Tournee mit Smetanas Má Vlast. Den Auftakt dazu bei den Salzburger Festspielen hatte vorigen Sommer noch Barenboim dirigiert. Guggeis ist ohne Zweifel ein sehr tüchtiger Kapellmeister. Als solcher hat er es schon sehr weit gebracht (an die Staatsoper unter den Linden), und ab Herbst wird er Generalmusikdirektor an der Oper Frankfurt. Für Mozart bedarf er wohl noch eines gewissen Inputs stilistischer und inhaltlicher Art.
Guggeis ist klug genug, die Philharmoniker walten zu lassen. Die können das Requiem schließlich im Schlaf. Den Wiener Singverein hat er gut und pünktlich dazu arrangiert. Der Singverein gibt im Forte weniger her, als man von solcher Chorstärke erwarten dürfte, aber der Klang im Leisen ist sehr fein, Intonation und Balance sind untadelig, und den Sopranen fehlt es auch nicht an klarer Höhe. Johannes Prinz' auf gute Phrasierung bedachte Einstudierung hat sich bezahlt gemacht. Edle Routine auf allen Seiten.
Im Solistenquartett hat sich Mozartwochen-Intendant Rolando Villazón als Tenor besetzt, und mehr wollen wir dazu gar nicht sagen. Lisette Oropesa (Sopran), Marianne Crebassa (Mezzosopran) und der fürs Tuba mirum wundersam schwarze Bass Tareq Nazmi haben Villazón sehr kollegial integriert.
Auch diesmal ein Stück vorab, aber wenigstens nicht wie bei Savall die Kleine Nachtmusik. Die Pariser Symphonie D-Dur KV 297 hat auch nicht das geringste mit dem Requiem gemein. Oder sollen wir uns erinnern, dass auf besagter Paris-Reise Mozarts Mutter gestorben ist? Straff und direkt ließ Thomas Guggeis die Ecksätze ausführen, und man hätte argwöhnen können, er kenne das Wort Agogik bestenfalls als abstrakten Begriff. Schwamm drüber.
Hörfunkübertragung am 26.2. um 11.03 in Ö1
Bilder: ISM / Wolfgang Lienbacher