Spu-ni-cu-ni-fait
MOZARTWOCHE / KAMMERMUSIK II
25/01/23 Das Wort macht neugierig. „Spunicunifait“. Atlas oder Lexikon helfen nicht weiter. Mozart selber hat das Wort in einem Brief an sein Bäsle schlicht erfunden. Das gleichnamige Ensemble will daran erinnern, „dass dieser Titan der klassischen Musik auch ein sehr alberner Mensch sein konnte“. Auch sonst viele Rätsel. Und ein zweihundert Jahre lang verschlossener Schrank.
Von Heidemarie Klabacher
Dass fünf Musikerinnen und Musiker eine Ensemble bilden, das sich vor allem „dem Studium und der Aufführung der sechs Streichquintette von Mozart widmet“, ist wohl erstaunlich, aber nicht verwunderlich. Die Streichquintette sind eine Herausforderung für die Interpreten und, bei einer Gesamtaufführung, auch für die Zuhörer. „In dem Wunsch, tief in dieses Repertoire einzutauchen, das üblicherweise von einem Streichquartett plus einer zusätzlichen Bratsche gespielt wird, verbinden diese fünf Freunde historische Aufführungspraxis auf historischen Instrumenten mit einer Leidenschaft für Mozart“, schreibt Johanna Senigl in der Ensemble-Biographie im Almanach zur Mozartwoche. An zwei Terminen – am Freitag 3. Februar und am Samstag 4. Februar – spielen Spunicunifait jeweils um 17 Uhr im Rittersaal der Residenz im DomQuartier jeweils drei der sechs Streichquintette Mozarts.
„Spunicunifait vereint eine große kollektive Erfahrung seiner Mitglieder als Kammermusiker, Orchestermusiker, Lehrer, Leiter und Solisten aus Ensembles wie des Chamber Orchestra of Europe, des Orchestra of the Age of Enlightenment, Spira Mirabilis und des Aurora Orchestra.“ Sprich: Lorenza Borrani und Maia Cabeza Violine, Simone Jandl und Max Mandel Viola sowie Luise Buchberger Cello. „Obwohl sie jeweils ein volles und abwechslungsreiches musikalisches Leben führen, haben sich die Mitglieder von Spunicunifait entschlossen, diesem Repertoire Priorität einzuräumen, weil sie bestrebt sind, Mozarts Streichquintette wieder als Höhepunkte des Kammermusikkanons festzulegen.“
Ein Ensemble für einen einzigen Werkzyklus? Fragen und Feinheiten gibt es genug. „Mit Ausnahme weniger Takte aus dem Finale von KV 516 sind Mozarts Streichquintette vollständig in seiner eigenen Handschrift überliefert“, heißt es im Almanachtext von Manfred Hermann Schmid †. „Daraus ergeben sich aber keineswegs die erwünschten unproblematischen Voraussetzungen für moderne Aufführungen“, betont der Autor.
Da gibt es etwa die legendär „ungelösten Fragen bei der Reihenfolge der Sätze im g-Moll- und im C-Dur-Quintett KV 515 und 516“. Ein zweites Fragezeichen gilt den Angaben zur Lautstärke: „Man darf hier gerade zu von einem Treppenwitz der Editions- und Wissenschaftsgeschichte sprechen“, so Manfred Hermann Schmid †. „Die Neue Mozart-Ausgabe hat in Berufung auf das Autograph zahlreiche dynamische Angaben der späteren Stimmen-Überlieferung als verfälschende Zusätze ausgeschieden. Die Entscheidung war völlig unstrittig – bis 2001 in der Nähe von Bonn ein zweihundert Jahre lang verschlossener Schrank geöffnet wurde, in dem sich überraschend jene Stimmen fanden, aus denen Mozart selbst gespielt hatte, versehen mit einer Erklärung seiner Witwe Constanze. Diese Stimmen enthalten sämtliche von der Wissenschaft verworfenen und als ,romantisch‘ verdammten Zusatz-Bezeichnungen (wie p, f, fp, fz, cresc.), und zwar in Mozarts eigener Hand.“ Waren da die Mozartforscher g'scheiter als Mozart? Fast scheint es so zu sein. „Der moderne Interpret darf also einen gewissen Freiraum für eigene Entscheidungen beanspruchen. Das Pochen auf dem bloßen ,Buchstaben‘ wird seiner Aufgabe nicht immer gerecht werden.“
Ein paar Details zu den Quintetten des ersten -Mozartwochen-Termins: Das Streichquintett B-Dur KV 174, geschrieben im Dezember 1737 in Salzburg, hat Mozart „umkomponiert“ noch bevor überhaupt die Einzelstimmen fertig geschrieben worden waren. „Gespielt wird das Stück heute fast nur im Kontext von Gesamtaufführungen. Es gilt als undankbar gemessen an seinen hohen technischen Anforderungen“, schreibt Manfred Hermann Schmid †. Das Ensemble Spunicunifait spielt die zweite Fassung.
Das Streichquintett D-Dur KV 593, datiert mit Decembre 1790, habe im Finale ein „quasi gespenstisches chromatisches Thema“ und erinnere an die ,Wahnsinnsarie‘ Smanie implacabili aus Così fan tutte, so der Autor. Das originale Thema wurde von anderer Hand direkt in Mozarts Autograph zu einer harmlosen Variante verändert, die 1793 dann auch im Druck erschienen ist, so Manfred Hermann Schmid †. „Entstanden ist sie aber wohl erst nach Mozarts Tod, vielleicht im Kontext einer Bearbeitung als Flötenquintett. Denn für die einklappige Flöte der Mozart-Zeit war das chromatische Original im geforderten Tempo des Allegro nicht spielbar.“ Und das Streichquintett g-Moll KV 516 aus 1787? Die Dominanz des Moll-Charakters sei „so singulär in Mozarts Instrumentalschaffen, dass der frühe russische Mozart-Enthusiast Alexander Oulibicheff 1843 von einer 'wahrhaft chronischen Krankheit der Seele' sprach“, schreibt der Musikwissenschaftler im Almanach.Auch nach nach den „ästhetischen Kategorien des 18. Jahrhunderts mit seiner Vorstellung von der Musik als einer Sprache der Empfindungen“ habe Mozart mit dem g-Moll-Quintett Grenzland betreten. „Denn es ist, als käme die Musik näher, als es die Konvention gesellschaftlichen Umgangs erlaubte.“
Das Programm der Mozartwoche von 26. Jänner bis 5. Februar 2023 – mozarteum.at/mozartwoche
Bild: https://www.harrisonparrott.com/ Dominic Colchester