Endlich geht die Post ab!
MOZARTWOCHE / BALTHASAR-NEUMANN-ENSEMBLE
28/01/21 Eine Stunde und vier Minuten – und Mozartwochen-Feeling wird Ereignis. Wenn die Qualität stimmt, geht es auch ohne Atmosphäre des Live-Erlebnisses. Beim Konzert des Balthasar-Neumann-Ensembles unter Thomas Hengelbrock saß man so gespannt vor dem Bildschirm wie sonst im Großen Saal – mit angehaltenem Atem.
Von Heidemarie Klabacher
Jupiter kann seine Blitze einpacken. Thomas Hengelbrock gewinnt ohnehin jedes Wettschleudern. Keine Götterschar kriegt ein solches Gewitter auf die Reihe, wie die Instrumentalisten des Balthasar-Neumann-Ensembles mit Horn und Fagott, Geige und Kontrabass. Damit ist leicht auftrumpfen und Wirbel machen? Symphonie C-Dur KV 551 Jupiter gebietet auch ohne Musik schon Respekt und steht für Effekt? Eh. Aber Hengelbrock und die Seinen (und die sind sein mit ganzer Kraft und ganzem Können) können das alles auch 535 Köchel-Nummern früher.
Schon das erste Stück im Konzert am Donnerstag (28.1.), die ersten Takte der Symphonie Es-Dur KV 16 des achtjährigen Mozart, waren im selben Feuer geschmiedet, wie die große Schwester. Das zentrale Motiv im Andante – drei hingetupfte Töne rauf und wieder runter, von denen man nie recht weiß, ob sie unheimlich sind oder nicht – pocht jedenfalls noch Stunden nach dem Ereignis in Ohr und Herz.
Und was die Experten nur immer mit der formalen Strenge der Jupiter Symphonie haben. Auf die markanten ersten drei Schlägen folgten zahllose große und kleine Energieschübe - hereinbrechend wie Naturkatastrophen oder heranschleichend wie junge Kätzchen – die einmal in die Knochen gefahren in der Erinnerung haften bleiben werden.
Und das Andante cantabile! Diese Melodie der tiefen Streicher, die von den feinen Figuren hohen überflimmert und von den Bläsern in Grund und Boden gerammt wird – um ungerührt wiederaufzublühen! Gibt es ein grandioseres Bild für Widerstand und Trotzdem? War da nicht wo ein Intonations-Zwischenfall? Wer denkt über so was nach, wenn die Musik lebt und pulsiert und mitreißt.
Das Allegretto mag von der kühnsten und strengsten kontrapunktischen Strenge sein – wenn man sie so präzise und punktgenau hinfetzt wie das Balthasar-Neumann-Ensemble unter Thomas Hengelbrock, dann lässt sich auch zu einer Tripelfuge oder auf dem auf dem Weg zum Parnass Rock'n Roll und Tango gleichzeitig tanzen.
Zwischen den beiden so unterschiedlichen und doch so erstaunlich miteinander verwandten Symphonien sang die Sopranisten Katharina Konradi drei Arien – und ließ mit delikatester Gesangskunst und höchster Ausdruckskraft in drei Nummern drei ausgewachsene Opern auf der Bühne eines ansonsten leeren Konzertsaales lebendig werden. Paminas Ach ich fühl’s, es ist verschwunden, Zerlinas Batti, batti, o bel Masetto und ganz besonders Susannas Deh vieni non tardar: Das waren Technik, Gestaltungskraft und künstlerische Präsenz hoch drei und zugelich drei hochemotionale psychologische Studien aus dem Leben.