Mozart im Alltagsgeschäft
MOZARTWOCHE / IL GIARDINO ARMONICO / RIAS KAMMERCHOR
01/02/19 Die Serenata notturna als rechter Muntermacher: Wirkt in der Lesart von Giovanni Antonini und seinem Ensemble Il Giardino Armonico wahrscheinlich besser als als vier Espressi vor dem Zubettgehen.
Von Reinhard Kriechbaum
Mit ihrer Sicht auf die Serenade D-Dur KV 239 sind Antonini und die Seinen sicherlich sehr nahe an der ursprünglichen Idee. Es ist ja Freiluftmusik, und die verträgt schon einen kernigen Zugriff. Dass die Serenata notturna so ein Traumstück für den Paukisten sein kann, haben wir gar nicht gewusst. Nicht nur im eröffnenden Marsch wurde in den wiederkehrenden Orchesterteilen ordentlich gerupft und gerumpelt – und dazwischen standen die Beiträge des Streichquartetts, das am Podiumsrand hinten oben postiert war. So konnte man sich gut hineindenken in die Wirkung, die eine solche Sereande für die Hörer der Mozart-Zeit ausgeübt hat. Waren mal die Ohren gespitzt und die Aufmerksamkeit durchs Handfeste gesichert, richteten sich die Ohren auf die vielen Pikanterien der kleinen Gruppe richten. Die wurden von den Stimmführer des Ensembles mit entsprechender Aufmerksamkeit – und mit nicht wenig Humor – umgesetzt. Jede Gelegenheit zu kleinen und größeren Solokadenzen wurde genützt.
Ein Motto dieser Matinee: Mozart im Alltagsgeschäft vielleicht. Alltag im Fürsterzbistum Salzburg war für einen Komponisten auch, eine „Grabmusik“, also eine kleine Kantate für den Karfreitag zu liefern, zur Aufführung vor einem der Heiligen Gräber. Auf dem Konzertpodium ist die Grabmusik Wo bin ich, bittrer Schmerz eine rechte Rarität. Die niedrige Nummer KV 42 signalisiert, wie jung Mozart war, als er sie schrieb: gerade elf Jahre! Da kommt man langsam in die Pubertät, und so hat er diesen Dialog zwischen einer sündigen Menschenseele und einem Engel musikdramatisch ausgereizt, dass einem micht nur in der exorbitant bravourösen Bass-Arie Felsen, spaltet euren Rachen Hören und Sehen vergeht. Viel aufzulösen für den Theo Hoffman (Bariton). Neben dieser stark geforderten Seele konnte sich der Engel von Giulia Semenzato (Sopran) lyrisch gut einrichten.
Nach der c-Moll-Messe am Vorabend war in dieser Freitag-Matinee (1.2.) die Begegnung mit einer Mess-Schwester in der gleichen Tonart aufschlussreich: Die so genannte Waisenhaus-Messe KV 139 ist eine „Missa longa“, eine für festliche Liturgien also. Ob sie wirklich für eine Kircheneinweihung für Wien, eben für jene beim Waisenhaus am Rennweg, geschrieben worden ist, weiß man nicht. Sicher jedenfalls: Der in allen Fragen der Kirchenmusikpraxis erfahrene Mozart wusste, wie man so etwas angeht, so dass es erstens ohne viel Proben funktioniert und auch Effekt macht. Hört man diese „angewandte“ Kunst im Konzert, wird man der Baukasten-Technik gewahr. Giovanni Antonini hat das mit recht deutlichen Zäsuren zwischen den jeweis sieben Einzelsätzen in Gloria und Credo eher noch betont. Originalität blitzt da und dort auf, insbesonders im Agnus, das plötzlich – ganz ungewöhnlich für damals – die drei Posaunen exponiert. Geradlinig und routiniert sowohl die Beiträge des RIAS Kammerchors (manchmal protzt die Stiftung Mozarteum ein bißchen), des Solistenquartetts und von Il Giardino Armonico: Dasm ist adäquat für diese Musik, die von einem Meisterwerk dann doch ein gutes Stück weg ist.