Ungestüm
MOZARTWOCHE / MITSUKO UCHIDA
30/01/10 Drei Tage nach der Cappella Andrea Barca und András Schiff nun das Mahler Chamber Orchestra mit Mitsuko Uchida: Da kann man als Hörer gar nicht anders als unmittelbar vergleichen – auch wenn einem bewusst sein muss, dass ein Vergleich mehr als unfair ist.
Von Reinhard Kriechbaum
Warum unfair? András Schiff hat in seinem Orchester Kolleginnen und Kollegen vereint, mit denen er seit Jahrzehnten musiziert. Ein Sechzig-plus-Ensemble, jede und jeder Einzelne eingefuchst ins Kammermusik-Metier. Das Mahler Chamber Orchestra dürfte dem Altersdurchschnitt nach 25 Jahre unter jenem der Cappella Andrea Barca liegen. Deshalb ist Mitsuko Uchida, die seit drei Jahren sehr intensiv mit dem Mahler Chamber Orchestra in Sachen Mozart arbeitet, auf ganz anderer Ebene gefordert als ihr Pianisten-Kollege: Der kostbaren Kammermusikerfahrung der Schiff-Crew steht hier eher noch juveniles Temperament entgegen.
Die heute Dreißig- bis Vierzigjährigen haben ein ganz anderes technisches Rüstzeug mitbekommen als Musiker, die vor einem halben Jahrhundert studiert haben. Wenn das Mahler Chamber Orchestra zugreift, dann ist das kraftvoll, direkt, geprägt von hoher Energie. Diese auch wieder einzufangen und in der Musik zuträgliche Bahnen zu leiten, ist keine geringe Aufgabe. Mitsuko Uchida steht als Musikerin, auch als Mozart-Interpretin, über jedem Zweifel. Aber als Klaviersolistin hat sie nun mal im Wortsinn alle Hände voll zu tun. Es hat sich im Konzert am Dienstag (29.1.) im Großen Saal des Mozarteums mehrmals der Gedanke eingeschlichen, dass ein zusätzliches Paar Ohren und Hände – die eines Dirigenten eben – so fehl am Platz nicht wären.
Freilich: Rhythmisch eins mit der Pianistin ist dieses Ortchesterkollektiv immer. Was die Feinheit der Holzbläserbeiträge und vor allem den Streicherklang imnsgesamt anlangt, gäb's indes gehörig Luft nach oben.
Interessanterweise war das offensivere, spielmotorisch belastbarere Konzert F-Dur KV 459 weniger geeignet für diese Konstellation als das gestalterisch anspruchsvollere, vielleicht deshalb an allen Pulten die Eigen-Kontrolle stärker herausfordernde Konzert d-Moll KV 466.
András Schiff und die Seinen haben Konzerte aus genau denselben Entstehungsjahren (Wien 1784/85) gewählt wie Uchida. Auch diesbezüglich ist man im Dreitages-Abstand also gleichsam mit der Nase auf die Unterschiede gestoßen worden. Nicht bös sein, liebe Mitsuko Uchida, aber Schiff, that's it.
Zwischen den beiden Klavierkonzerten ein Stück weniger geäufige Kammermusik: das Hornquintett Es-Dur KV 407. Mit Geläufigkeit und Tonvolumen hat José Vicente Castelló Vicedo (am modernen Horn, von dem Mozart und sein Ur-Interpret Joseph Leutgeb nur haben träumen können) seinen juvenilen Partnern durchaus auch etwas aufzulösen gegeben. Da kam mehr Energie von unten, also vom Cello-Stimmführer Frank-Michael Guthmann, als vom so gar nicht persönlichkeitsstarken Konzertmeister Mathew Truscott. Zwischen diesen so unterschiedlichen Angelpunkten drohten die beiden Bratschistinnen (Béatrice Muthelet und Julia Neher) irgendwie aufgerieben zu werden. Sehr redlich – aber in Wirklichkeit zu wenig.