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Debussy live und auf CD

MOZARTWOCHE / DANIEL BARENBOIM

30/01/18 Der Verdacht lag nahe, dass am Montag (29.1.) in den Mittagsstunden sogar Daniel Barenboim, der große Philanthrop unter der Musiker-Prominenz, innerhalb einer Dreiviertelstunde zum Menschenhasser geworden ist. Nun ja, Hasser vielleicht doch nicht, dazu ist Barenboim zu edlen Gemüts...

Von Reinhard Kriechbaum

Aber ein gewaltiges G'wirks war es halt doch, dieses Matinee-Recital im Großen Saal des Mozarteums. Draußen der erste warme, wolkenlose Beinahe-Frühlingstag des Jahres, drinnen im abgedunkelten Saal ausschließlich Debussy, trotz Mozartwoche. Warum das hat sein müssen? Eine CD mit Debussy ist eben erschienen und gehört promotet. Mozart könnte er eigentlich eh auch recht gut...

Das Stühle-Knarzen wollte während des ersten Buchs von Préludes schier kein Ende nehmen, und es schien, als ob sich sogar die Mikroelektronik heimtückisch verbündet hätte gegen die verordnete Impressionismus-Exegese. Zu einem der Préludes musste Barenboim sogar neu ansetzen, weil ein Handy partout nicht klein beigeben wollte. Ein Höregrät nahm mit insistierendem Piepsen auf Langstrecke den Kampf gegen die feinsinnige Pianistik auf. Es waren auch besonders viele Leute da, zu den achthundert auf regulären Plätzen noch vierzig auf Podiumsstühlen: Eine Ausnahmesituation. Barenboim zieht.

Barenboim reist mit eigenem Flügel, das ist insofern bemerkenswert, als sich sein Debussy-Spiel nicht durch ausufernde Klangfarben-Raffinesse auszeichnet, die einen solchen gewichtigen Reisebegleiter rechtfertigen würde. Barenboim setzt auf sanftmütige Erzählungen, auf erwartungsgemäße „Impression“ eben, klar im Lineament, verbindlich und verbindend im Nachzeichnen der Formen. Man könnte die Préludes auch ganz anders lesen, als pianistische Novitäten der Epoche, in denen die Funktionsharmonik nachhaltig aufgelöst, der quasi „stehende“ Klang ein erstes Mal emanzipiert wurde. In solche Richtung zielt Barenboim nicht, er ist – in dem Sinne auch an den Tasten Dirigent – eher Dramaturg als Analytiker.

Nach der Pause war die Debussy-Kost für die Hörer leichter, die Unruhe schien gebannt, die Konzentration höher. Die Genreszenen der „Estampes“, „Deux Arabesques“ und „L'Isle joyeuse“ waren eine Werkfolge, in der Barenboim als Techniker nicht wenig herausgefordert war. Das muss dem 75jährigen erst mal jemand so fingerläufig und präzise nachspielen. Da konnte man sich also auf die Habanera-Rhythmen der „Sorée dans Granade“ ebenso mit Gewinn einlassen, wie auf die Regen-Kaskaden in den „Jardins“, sich verzaubern lassen von der mit viel Energie kolorierten zweiten Arabeske. „L'Isle joyeuse“ hatte schließlich mehr Charme als Ekstase, und das passt gut zu Barenboim und seinem ausgleichenden Temperament. Zu dem Zeitpunkt, gegen dreiviertel eins, hatte er die Menschen sichtlich wieder lieb.

Eine etwas andere Debussy-Auswahl (aber inklusive den „Estampes“ und einer Prélude-Blütenlese) findet sich auch auf einer jüngst veröffentlichten CD der Deutschen Grammophon – www.deutschegrammophon.com
Bild: ISM / Wolfgang Lienbacher

 

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