Singend und sprechend
MOZARTWOCHE / ENGLISH BAROQUE SOLOISTS / GARDINER
29/01/18 2019, wenn Rolando Villazón das Ruder übernimmt bei der Salzburger Mozartwoche, wird zwar der Event-Wert rapide zunehmen. Um Mozart im Originalton wird es aber so ziemlich geschehen sein. Schade, ging einem am Sonntagabend (28.1.) durch den Kopf: angesichts Sir John Eliot Gardiners und seiner English Baroque Soloists.
Von Reinhard Kriechbaum
Gardiner, nach dem Tod Harnoncourts quasi zum Doyen aus der Szene der Alten Musik aufgerückt, ist Instanz auch in Sachen Mozart. Das hat das Konzert im Großen Festspielhaus Note um Note gespiegelt. Was für eine nette Idee gleich eingangs, ein Jugend-Sinfoniechen zurückzuverwandeln in ein Gesangsstück: Mozart hat die Ouverture zu „Il re pastore“ unter anderem durch eine Sopran-Arie (die er der Oboe anvertraute) als langsamen Satz zur Symphonie ergänzt. Gardiner hat den Spieß wieder umgedreht, und statt dem Blasinstrument eben wieder eine Sängerin schwärmen lassen „vom leisen Murmeln“ ihres „Freundes Bach“. Diese von Angela Hicks (einer Solistin aus Gardiners Monteverdi Choir) schlicht und unprätentiös vorgetragene Liebes-Anfrage wurde aufs Stärkste kontrastiert mit den orchestralen Rahmenteilen: schmetternd die Naturtrompeten und -hörner, spitz artikulierend die anderen Bläser. Ein eloquenter Auftakt für ein Konzert, das man mit dem Motto „singend und sprechend“ gut umschreiben könnte.
Im Zentrum. Die Sinfonia concertante Es-Dur KV 364. Ich entsinne mich keiner Wiedergabe, die den Kern einer Concertante so schlüssig getroffen hätte wie Sir John Eliot im Verein mit Isabelle Faust (Violine) und Antoine Tamestit (Viola). Da war vom ersten Motiv – wie heftig dynamisch akzentuiert die gleichen Töne! – klar, dass das Gewicht auf dem Wort „Sinfonia“ liegt, dass also nicht ein Orchester zwei Soloinstrumente bloß begleitet, sondern ihnen mit seinem aktiven Zutun Impulse gibt, sie gezielt wachkitzelt. Das heißt nicht, dass Gardiner nicht auch die streichenden und blasenden Leute zurückgehalten hätte, um Faust und Tamestit Gelegenheit zu geben, in ganz schlanker Artikulation auch in den beschwingten Ecksätzen die Lyrismen gediegen auszuspielen. Das wirklich Entscheidende passierte im langsamen Satz, Melancholie geradezu als medizinischer Befund mit Tiefenschärfe. Berührender und zugleich analytischer kann man das nicht rausbringen.
Ganz Essentielles hat Gardiner auch zur Symphonie in Es-Dur KV 543 zu sagen, für die er die Sessel in einer Umbaupause hat wegräumen lassen, auf dass seine English Baroque Soloists im Stehen doppelte Energie einbrächten. Das war deutlich mehr als eine Attitüde, wie man gleich in der Adagio-Einleitung unmissverständlich mitbekommen hat: eine dramatische Szene mit exzessiver Geste. Was müsste man nicht alles erwähnen aus dieser Wiedergabe: auf jeden Fall die präzisen Holzbläserfarben (über den absichtsvoll gelegentlich grummelnden Hörnern) im langsamen Satz, gewiss auch die feinen Verzierungen des Klarinettisten bei der Wiederholung des Trio-Teils im Menuett.
Was hier nicht anders als in der voran geschickten Symphonie (Ouvertüre) G-Dur KV 318 höchst aufschlussreich zu beobachten war: Wie gediegen Gardiner die Spannung und Motorik aus den klanglichen Gegebenheiten der Originalinstrumente heraus entwickelt. Quicklebendig durfte da doch der Erste Fagottist seine kleinen Basslinien im Finalsatz hervorsprudeln lassen, ganz leicht-tönig und duftend. Für solche Leichtigkeit war Platz, obwohl Gardiner diesen Satz mit seiner Schwungrad-Motorik äußerst heftig angetaucht hat. Kurzweilig, obwohl man auf keine Wiederholung verzichtete.
Isabelle Faust und Antoine Tamestit ließen als Zugabe mit leiser Eloquenz einen Satz des Duos in B-Dur für Violine und Viola KV 424 hören, und auch Gardiner und die English Baroque Soloists spendierten einen langsamen Satz, jenen aus der Symphonie Nr. 33 KV 319.