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Mit Offenheit auf den „Orient“ schauen

MOZARTWOCHE 2018 / DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL

19/01/18 Seine Briefe sind legendär, seine Instrumente Kostbarkeiten, seine Werke Menschheitserbe. Die unzähligen Facetten Mozarts aufzeigen will Maren Hofmeister, die künstlerische Geschäftsführerin der Stiftung, mit der Mozartwoche 2018. Eröffnen wird sie ein Meisterwerk, das von Mozarts Menschlichkeit zeugt - das Singspiel „Die Entführung aus dem Serail“.

Von Heidemarie Klabacher

„1781 hat sich Mozart von seinem Vater gelöst, Salzburg verlassen und ist nach Wien gezogen. Dort hat er umgehend mit seinem pianistischen Können Furore gemacht, aber auch, 1782, mit einer neuen Oper: dem Singspiel ‚Die Entführung aus dem Serail‘. Mit diesem Werk eröffnen wir die Mozartwoche 2018“, schreibt die Künstlerische Leiterin im Vorwort des Almanachs zur Mozartwoche. Die Neuinszenierung im Haus für Mozart verantwortet Andrea Moses, die mit dieser Produktion ihr Regiedebüt in Salzburg gibt. Reizvoll, dass diese „Entführung“ auch für den musikalischen Leiter – niemand geringeren als René Jacobs – ein Debüt sein wird: „René Jacobs hat bisher keine szenische Aufführung der ‚Entführung‘ dirigiert, verrät Maren Hofmeister.

Sie führt aus, wie modern die Form dieses Singspiels zur Entstehungszeit war und wie aktuell der Stoff noch immer ist: „Mit der ‚Entführung aus dem Serail‘ verbindet Mozart auf neuartige Weise Elemente der opera seria und der opera buffa. Und er zeigt mit der Figur des Bassa Selim einen Herrscher, der ebenfalls neue Wege beschreitet. Am Ende gibt er dem Sohn seines Erzfeindes die Freiheit: Vergebung statt Vergeltung.“

Zu diesem Thema gehört inhaltlich die Rede der Schriftstellerin Eva Menasse „Ach wenn du die Liebe kenntest. Vergebung und Vergeltung“ zum Beginn der Mozartwoche am 26. Jänner – noch vor der Premiere nämlich Nachmittags um 15 Uhr gemeinsam mit Bläsern der Akademie für Alte Musik Berlin.

Wie aktuell ist nicht das Thema des scheinbar harmlos-heiteren Singspiels! Nicht nur im 18. Jahrhundert blickte man mit einer Art Mischung aus Geringschätzung und Panik Richtung Orient.

„Die sogenannten „Türkenopern“ des 18. Jahrhunderts, insbesondere diejenigen Wiener Provenienz, zeichnen sich nicht zuletzt dadurch aus, dass ihnen ein Kulturkontrast, in einigen Fällen gar ein Kulturkonflikt, innewohnt“, schreibt Thomas Betzwieser in seinem Almanach-Beitrag zur „Entführung“. .

„Dieser Konflikt konnte gleichsam subkutan unter dem äußeren Orient-Dekor verlaufen, oder aber ‚sprachlos‘ ausgetragen werden wie in den zahlreichen Ballett-Pantomimen, die um die Mitte des 18. Jahrhunderts en vogue waren. In diesen ‚türkischen‘ Tanzstücken entwickelte sich ein spezifisches musikalisches Idiom für das Exotische, das wir mit dem Begriff „alla turca“ fassen.“ Besonders durch das Schlagwerk der ,türkischen Musik‘ habe das Orientalische seine charakteristische klangliche Zeichnung erfahren.“

Die Komponisten und Librettisten entschieden, welche Figuren quasi türkisiert wurden: „Sie folgten dabei einer ungeschriebenen Konvention: weibliche Personen wurden so gut wie nie exotisiert, dies blieb dem männlichen Figurenpersonal vorbehalten. Und hier waren es nicht die ranghöheren Figuren, die mit ,türkischer Musik‘ ausgestattet wurden, sondern mehrheitlich niedere Chargen“, so Thomas Betzwieser. Diese Figuren waren meist nicht mehr als exotische Staffage. Konflikthaft wurde es erst, wenn Militär oder Religion ins „Spiel“ kamen: Das „Barbarische“ des osmanischen Militärs war seit den Türkenkriegen des 17. Jahrhunderts quasi fixer Bestanteil auf der Bühne.

Und Religion war auf dem Theater ohnehin tabu, „zumindest solange sie die Würdenträger der katholischen Staatsreligion tangierte“. Aber die Librettisten der Orient-Opern „operierten mehr und mehr mit diesem heiklen Thema“, schreibt Thomas Betzwieser in seinem erhellenden Almanach-Text. „Ähnlich wie das Militärische vermochte also der Islam ein genuines Moment für einen möglichen Kulturkonflikt abzugeben.“

Mozart hat schon vor der „Entführung“ eine Orient-Oper geschrieben, die Fragment gebliebene „Zaide. Das Serail“. „Türkisches Kolorit gibt es dort nicht“, schreibt Betzwieser. „Auch hier wurde die ranghöchste Person, das ist der Sultan Soliman, nicht exotisch gezeichnet. Dennoch wohnt dem Singspiel ein nicht unerheblicher ‚Kulturkonflikt‘ inne, dessen Schärfe in dem Melodram des Sultans zu Beginn des II. Aktes zum Ausdruck kommt. Es ist dies eine der wenigen Stellen in Mozarts Opernfragment, welche auch den Kern der Jandlung transparent macht: Die Favoritin des Sultans wollte mit ihrem (europäischen) Geliebten dem Serail entfliehen, die Flucht scheitert aber und die „Verräter“ müssen sich vor Soliman verantworten.

Da ist es nicht mehr weit zu Bassa Selim, Belmonte und Konstanze. Doch der Unterschied ist noch groß: „Von einem aufgeklärten, gleichsam liberalen Türken, wie er uns kurz darauf in der Person des Bassa Selim in der Entführung aus dem Serail‘ gegenübertritt, ist dieser Soliman meilenweit entfernt. Der Sultan in ‚Zaide‘ repräsentiert vielmehr ganz das traditionelle, negativ besetzte Türkenbild: kriegerisch, despotisch, aufbrausend. Vergeltung ist das Leitmotiv dieses Türken, und augenscheinlich ist es auch von Religion geleitet.“ Soweit Thomas Betzwieser. Gar nicht so leicht, aus dieser Haltung ein versöhnliches Finale zu dichten und komponieren. Das Werk blieb Fragment. „Ob Vergeltung oder Vergebung am Ende obsiegt, bleibt ein Rätsel der Operngeschichte.“

Aber dann kam ja die „Entführung“, mit der Mozart im Frühjahr 1781 begonnen hat: „In der Vorlage ‘Belmont und Constanze‘, Leipzig 1781 von Christoph Friedrich Bretzner dürfte er genau das gefunden haben, was er in ‚Zaide‘ vermisst hatte“, schreibt der Musikwissenschaftler Betzwieser. „Eine Kontrastfolie Orient–Okzident, die aber ungleich mehrschichtiger und schillernder war.“

Mozartwoche 2018 - 26. Jänner bis 4. Februar - www.mozarteum.at
Bilder: dpk-klaba

 

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