Wer sucht, findet auch Romantik
MOZARTWOCHE / WIENER PHILHARMONIKER / THOMAS HENGELBROCK
30/01/27 Die durchgehend „klassischen“ Programme sind wieder mehr geworden in der Mozartwoche, die Moderne erscheint konzentriert auf recht wenige Termine. Die Romantik findet wenig Raum, es sei denn, man findet sie in der Klassik. Thomas Hegelbrock, Leif-Ove Andsnes und die Wiener Philharmoniker fanden sie am Samstag Abend (28.1.) auf beglückende Weise.
Von Gottfried Franz Kasparek
Romantik ist ja in der Musik nicht gleichzusetzen mit süßen Liebestoden, schwelgerischem Vibrato und aufgedonnertem Pathos, sondern meint tiefe und zeitlose Gefühle der Transzendenz, der Innigkeit, auch der tragischen Ironie. Thomas Hengelbrock musizierte schon die einleitende „Don Giovanni“-Ouvertüre mit stürmischem Drängen und transparentem, doch in sich dämonischem Glanz.
Dann schritt Leif-Ove Andsnes völlig unprätentiös zum Steinway, im Outfit eines Bankbeamten, und zauberte eines der wahrhaft größten Mozart- Klavierkonzerte, jenes in d-Moll KV 466, mit beeindruckender, spielerischer Intelligenz und vielen sensiblen Akzentuierungen aus den Tasten. Vor allem ist es die Klarheit und doch Tiefe des Ausdrucks, zu welcher er fähig ist, die ihn zu einem Mozart-Interpreten der ersten Klasse macht. Es ist eine Tiefe, die unter der klangvollen schönen Oberfläche immer spürbar bleibt, in meist sehr kontrollierter Leidenschaft, aber im besten Sinne berührend. So fand die wunderbare Romance im Spannungsfeld zwischen italienischer Gesanglichkeit und expressiver Romantik statt.
Der Mozart der Wiener Jahre mag formal von seinen Bach- und Händel-Studien geprägt worden sein, in der Wahrheit seiner emotionalen Aussagen wetterleuchtet kräftig das 19. Jahrhundert. Dazu passen die energischen Kadenzen Beethovens zum ersten und die virtuos verspielten Johann Nepomuk Hummels zum dritten Satz. Dazu passte die mitatmende Begleitung durch den Dirigenten und das Orchester, welches einen Solisten wirklich mit geradezu überirdisch schönen Klängen umgeben kann. Und diesmal war es eine in sch stimmige Schönheit. Andsnes bedankte sich für den Jubel des Publikums mit einem Chopin-Nocturne voll luzider Eleganz.
Nach der Pause wieder einmal Beethovens „Dritte“, mein Gott, schon wieder die sattsam bekannte „Eroica“ – doch siehe da, Maestro Hengelbrock verstand es, vom ersten bis zum letzten Takt Altbekanntes wie neu erscheinen zu lassen, den zweifellos gegebenen Weltrang des Werks in ungewohnter, wenn auch nicht vorbildloser Beleuchtung zum Strahlen zu bringen. Man darf da, Vibrato einmal außer Acht gelassen, in der Tempodramaturgie an einen George Szell, auch an einen jungen Karajan denken. Doch Hengelbrock ist wieder ein „Eigener“. Er findet seinen Weg heraus aus dem Gestrüpp der Traditionen. So unglaublich durchhörbar – und wie herrlich das Orchester mitging! –, so voll revolutionärer Kraft und dann in vielen Momenten doch weder so zärtlich, so verinnerlicht hat man die Symphonie lange nicht gehört. Das Wiener Blech und Holz – insbesondere die völlig unfallfrei tönenden Hörner – ist in dieser Form konkurrenzlos. Dass die „Wiener“ aber auch einen derart silbern-seidigen, nie allzu pastosen Streicherklang haben können, in aufregender Weiterentwicklung des großen Erbes, hängt mit einer gewissen Verjüngung ebenso zusammen wie mit den Impulsen des Dirigenten, der sich spürbar und sichtbar wohl in diesem Kreise fühlt. Großer Applaus.