Haydn ohne Sperrfrist
MOZARTWOCHE / HAGEN QUARTETT
24/01/17 Das Hagen Quartett spielt bei der Mozartwoche 2017 in zwei Konzerten den Zyklus von Joseph Haydns „Erdödy-Quartetten“. Der sechsteilige Streichquartett-Zyklus entstand 1797 im Auftrag des Grafen Joseph Erdödy de Monyorókerék und gehört zu den Meisterwerken der Quartett-Literatur.
Von Heidemarie Klabacher
„Der Widmungsträger war ungarischer Hofkanzler mit Sitz in Wien, Pressburg und Freistadt an der Waag im heutigen Hlohovec in der Slowakei.“ Weitere, weniger bekannte Komponisten haben für den Grafen ebenfalls Kammermusik für Streicher geschrieben. „Mit ziemlicher Sicherheit kann man davon ausgehen, dass sich Graf Erdödy ein privates Streichquartettensemble leistete, zumal einige Musiker als Angestellte des Grafen dokumentarisch belegt sind“, schreibt Lindsay Kemp im Almanach zur Mozartwoche 2017. „Außerdem betätigte er sich als Mäzen in der 'Gesellschaft der associierten cavaliere', einer Initiative von Baron Gottfried van Swieten, für die Haydn die Oratorien 'Die Schöpfung' und 'Die Jahreszeiten' schrieb.“
Haydn musste dem Grafen seine Streichquartette für ein bis zwei Jahre exklusiv überlassen. „Offenbar war diese Sperrfrist zur Mitte des Jahres 1799 verstrichen, so dass Haydn die Drucklegung initiieren konnte.“ Dazu habe er sich parallel gleich zweier Verlage bedient: „Bei seiner zweiten Englandreise hatte er nämlich 1795 den Verlegern Longman & Broderip ein für fünf Jahre geltendes Vorzugsrecht vor allen anderen Interessenten eingeräumt.“ In Zeiten der Revolutionskriege sei, so Lindsay Kemp, der englische Musikalienhandel vom kontinentalen Musikgeschäft jedoch weitgehend isoliert gewesen und so „das Anstoßen einer zeitgleichen Ausgabe beim Wiener Verlag Artaria sehr verständlich“. Zudem habe nur das Wiener Titelblatt die Widmung an den Grafen Erdödy enthalten, „der die Publikation ausdrücklich begrüßte“. Beide Ausgaben erschienen in zwei Heften mit je drei Quartetten: „Haydn bemühte sich sehr darum, seinen Verpflichtungen gegenüber den Engländern nachzukommen. Deshalb erschien das erste Heft in London fünf Wochen früher als in Wien im Juni 1799.“ Beim zweiten Heft habe Artaria sich über Haydns Wunsch wohl hinweg gesetzt: Es erschien im Dezember 1799 ganze fünf Monate vor Longman & Clementi.
Wie spannend auch immer die Publikationsgeschichte: Die Werke selber sind noch um ein Vieles spannender. „In der Folge sollte die Serie zur beliebtesten innerhalb des Streichquartettkosmos von Haydn avancieren. Hoboken listet insgesamt 22 zeitnah entstandene vollständige oder Teilausgaben auf, was die höchste Zahl von Ausgaben unter allen Quartettopera Haydns darstellt“, so Lindsay Kemp im Almanach. „Die Begeisterung der Musikwelt spiegelt sich auch in den Aussagen der Zeitgenossen. Schon im Juni 1797 berichtet der schwedische Diplomat Fredrik Samuel Silverstolpe an seine Eltern aus Wien von einem Besuch bei Haydn: 'Bei dieser Gelegenheit spielte er mir auf dem Clavier vor, Violinquartette, die ein Graf Erdödi bestellt hat. Diese sind mehr als meisterhaft und voll neuer Gedanken'.“
In London hörte der Musikhistoriker Charles Burney die Quartette und er gratulierte Haydn brieflich im August 1799 und lobte an ihnen Erfindungsreichtum, Esprit und neuartige Eindrücke. In Salzburg bei der Mozartwoche wird am 2. und am 3. Februar das Hagen Quartett weitere „neuartige Eindrücke“ vermitteln bei der Wiederbegegnung mit diesen Meisterwerken der Quartett-Literatur.