Wirklichkeitserkundung durch Sprache - eine Querdenkerin im Fokus
RAURISER LITERATURTAGE / ERÖFFNUNG / RAURIS.UNIVERSITÄT
05/04/18 Bereits zum 48. Mal ist die Salzburger Marktgemeinde Rauris Dreh- und Angelpunkt literarischen Schaffens deutschsprachiger Autoren. Dabei kam trotz zahlreicher Reden und formeller Begrüßungen der Humor nicht zu kurz. Reichlich Gesprächsstoff lieferte aber vor allem die diesjährige Preisträgerin Raphaela Edelbauer, die mit ihrer extravaganten Performance überraschte.
VON LAURA TRAUNER UND CHRISTINA MAYR
Wie können sich Kindheitserlebnisse auf die Persönlichkeitsentwicklung auswirken? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Literatur und Politik? Solche und ähnliche Fragen stellten sich Organisatoren und Politiker in ihren Reden zum diesjährigen Thema „Frühe Jahre“. Kinder- und Jugendjahre sollen im Mittelpunkt der 48. Rauriser Literaturtage stehen, die von 4. bis 8. April abgehalten werden. Dem individuellen Zugang zur Thematik waren dabei keine Grenzen gesetzt. Doch bevor es heute, Donnerstag, mit den regulären Lesungen losging, erfolgte die Preisverleihung an Raphaela Edelbauer für ihr Prosadebüt „Entdecker“ sowie Florian Gantner, der für sein Werk „Dakizo“ den diesjährigen Förderungspreis erhielt.
„Entdecker“ heißt das Werk, dem paradoxerweise vor allem der Pragmatismus der jungen Autorin Raphaela Edelbauer auf Drängen des Klever-Verlags zur Einordnung in die Kategorie „Poetik“ verhalf. „Poetik“ auch als ganz persönliches Regelwerk für ihre eigene literarische Produktion, „wobei mir schon bewusst ist, dass vermutlich nur ich das so dekodieren kann“, lacht Edelbauer über ihre gefinkelte Ausdrucksweise.
Ihre Motivation beschreibt die Wienerin als eine „hybride Mischung“ aus Sprachspiel und Protest gegen gesellschaftlich vorgegebene Denkmuster. Unter dem Schlagwort „Zersetzung“ sprengt sie in „Entdecker“ jegliche Grenzen konventioneller Vorstellungen, ändert den Blickwinkel der Betrachtung und nimmt verschiedene Aspekte der Sprache genauer unter die Lupe. Sich selbst eine Meinung bilden ist ihr Motto, denn wer kann schon sagen, die Sprache sei eine Erfindung der Menschen? „Nicht in den Texten nach der Welt, sondern in der Welt nach den Texten suchen“, lautet die Devise Edelbauers. „Das Ergebnis also ist, dass die Sprache der zentrale Baustein der Welt ist“, schreibt die Absolventin eines Sprachkunststudiums im ersten Kapitel ihrer Poetik.
„Viele Menschen denken, wir hätten die Sprache erfunden. In dieser irren Annahme liegt die Ursache unserer ganzen Misere.“ Mit diesem Zitat leitet die Autorin ihr Werk zur Erschaffung der Welt durch die Sprache ein. Ihre Reflexionen zur Sprachphilosophie als poetischer Akt wurden im Auftritt von selbstaufgezeichneten Kurzfilmen in Schwarz-Weiß und Buchillustrationen ergänzt. Zur besseren Veranschaulichung für das Publikum spann die Autorin einen roten Faden durch die experimentelle Lektüre, indem sie die einzelnen Textausschnitte unter das Thema eines Assessmentcenters stellte. Für die musikalische Untermalung sorgte die Familien-Gruppe CCCPotPillingerMusic mit einer außergewöhnlichen und skurrilen Mischung aus Klassik und Jazz.
Heute Vormittag (5.4.) stellte sich die Autorin im Rahmen des ersten Studentischen Arbeitskreises den Fragen der Salzburger Studenten zu ihrem ausgezeichneten Prosadebüt. Im Anschluss diskutierten die Grazer Studenten mit der Kinder- und Jugendbuchautorin Elisabeth Steinkellner im Gasthof Grimmig über ihr Werk und leiteten das diesjährige Motto „Frühe Jahre“ ein.