Nicht alle Gänseriche zwicken
TAG DER MUTTERSPRACHEN / ZWEISPRACHIGE MÄRCHENSTUNDEN
21/02/17 Prinzessin Sharifa. Die Ameise. Die Haare des Riesen. Das rote Huhn und das Weizenkorn... Jedes Land hat seine Märchen. Meist erringen die Schwachen oder Unterdrückten durch Klugheit und Tapferkeit den Sieg. So auch „Das Gockelchen und seine Freunde“ in dem Kroatischen Märchen „Pjetlićeva Družina“ in der kroatisch-deutschen Märchenstunde im Literaturhaus. Am 21. Februar – also heute Dienstag – wird der Internationale Tag der Muttersprachen begangen.
Von Heidemarie Klabacher
Es geht nicht immer blutig oder traurig zu im Märchen. Es gibt unzählige Märchen, in denen die Klugen jeden Kampf zu vermeiden wissen. Ihnen ist klar – wie dem Gockelchen, dem Truthan, der Ente und dem Gänserich – dass sie gegen den Wolf und den Fuchs keine Chance hätten. Da ist es viel besser, mit Tricks zu arbeiten. Und wenn dann noch ein Igel mit von der Partie ist, der dem Fuchs im Finstern seine Stacheln in den Weg stellt, dann ist die Sache geritzt: Nichts mehr kann die Freunde aufhalten, auf ihrem Gemeinschaftsausflug in die große weite Welt hinaus...
„Das Gockelchen und seine Freunde“ – auf Kroatisch also „Pjetlićeva Družina“ – machten unlängst im Literaturhaus Station bei der „Zweisprachigen Märchenstunde“.
„Bereits vor 2010 gestalteten die Stadtbücherei Hallein und das Literaturhaus Salzburg punktuell mehrsprachige Veranstaltungen für Kinder zwischen vier und zehn Jahren“, erklärt Peter Fuschlberger, der für das „Junge Literaturhaus“ verantwortliche Leiter der Kinder- und Jugendschine am H.C. Artmann-Platz. Seit der Gründung des Kooperation-Netzwerks „Miteinander lesen“ auf Initiative der Integrationsbeauftragten der Stadt Salzburg, Daiva Döring, würden seit 2010 die zweisprachigen Märchenstunden systematisch ausgebaut und in ihren Abläufen vereinheitlicht: „In jeder 'Neuauflage' berücksichtigen wir Erfahrungswerte und nehmen eventuell Sprachen dazu.“
Es ist eine Tatsache: „Die Mehrsprachigkeit in unserer Gesellschaft habe in den letzten Dekaden deutlich zugenommen. In vielen Schulklassen und Kindergarten-Gruppen zählen wir mehr als fünf, zuweilen bis zu 15 Sprachen, die von den Kindern selbst als 'Eltern'-Sprachen genannt werden.“ - Bei der besuchten kroatisch-deutschen Märchenstunde kam man auf immerhin elf Sprachen, auch wenn nicht alle Kinder sich in den von ihnen genannten Sprachen wirklich „flüssig“ unterhalten konnten. „Der Kontext, in dem Erzieherinnen und Lehrkräfte heute arbeiten müssen, ist ein mehrsprachiger“, betont Peter Fuschelberger.
Man wolle die Vor-Lesekultur fördern, vor allem aber wolle man zum Gebrauch der Herkunftssprache ermutigen: „In der Linguistik geht man stark davon aus, dass Kinder, deren Kompetenz in der Erst- oder Herkunftssprache gefördert wird, beim Ausbau der Zweit- oder gar Drittsprache profitieren“, fasst Fuschelberger das Ergebnis zahlreicher Studien zusammen.
„Unsere Märchenstunden mögen dazu nur einen kleinen Beitrag leisten, wirken sich jedoch affektiv aus.“ Die Kinder freuen sich, vor allem aber werde die Einstellung der Familien zur je eigenen Sprache durch die öffentliche Beachtung verbessert: „Wir stellen positive Reaktionen und Folgewirkungen im Dreieck Kindergarten oder Schule, Familie und veranstaltende Institutionen fest“, erzählt Peter Fuschelberger. Immer wieder bedanken sich begleitende Mütter, „und selten sogar Väter“, für das Engagement, auch dann, „wenn an dem Termin gerade eine andere Sprache zu Gast gewesen ist“.
Die zweisprachigen Märchenstunden finden monatlich in der Reihe „Miteinander lesen“ statt, sei es im Literaturhaus, in der Stadtbibliothek oder in der öffentlichen Bibliothek der Pfarre Aigen. Italienisch, Farsi, Spanisch, Albanisch, Serbisch, Türkisch, Bosnisch, Kroatisch, Arabisch und Tschetschenisch standen oder stehen noch in diesem Schuljahr auf dem Programm. Die Deutschen Übersetzungen liest jeweils – ein charmanter Märchenonkel – Gerhard Hagenauer. Die fremdsprachigen Märchen lesen jeweils Muttersprachlerinnen oder Muttersprachler.
Ruža Filipović hat in der kroatisch-deutschen Märchenstunde Bilder von den Helden mitgebracht. Und so konnte man lernen: Das Gockelchen ist der – eigentlich viel leichter auszusprechende pjetlić. Der Gänserich ist der – mit kurzem „u“ scharfem „sssss“ ausgestattete gusan. Die Ente – patak – trägt mit dem langen ersten „a“ ihr Quaken schon im Namen... Eine Freude und ein Vokabelgewinn auch für die erwachsene Märchenhörerin diese zweisprachige sehr poetische Märchenstunde.
Zu Gast waren eine Volksschulklasse und eine Kindergartengruppe, eine zweite Sprache neben Deutsch hatten so ziemlich alle Kinder im Hintergrund. Danach fragte Peter Fuschlberger, der Leiter des „Jungen Literaturhauses“ bei seiner Begrüßung. Kinder mit Italienisch, Farsi, Spanisch, Albanisch, Serbisch, Türkisch, Bosnisch, Kroatisch, Arabisch und Tschetschenisch als „andere Sprache“ hörten an diesem Vormittag im Literaturhaus also ein Märchen aus Kroatien. - Gibt es eigentlich Märchen aus Amerika – oder reicht ihnen dort der amerikanische Traum?