...dass es auf Knopfdruck funktioniert
LESEPROBE / DAS MOZARTEUMORCHESTER SALZBURG
20/07/16 „Momentaufnahmen eines Orchesters. Eine Collage“ heißt ein Beitrag von Dorothea Biehler im neuen Buch „Das Mozarteumorchester Salzburg“, das morgen Donnerstag (21.7.) vorgestellt wird. Das Orchester feiert heuer sein 175jähriges Bestehen.
Von Dorothea Biehler
Es ist kaum möglich, den Beginn der Planung eines Orchesterauftritts festzumachen. In der Regel liegt er Jahre vor dem Konzerttermin. Bevor künstlerische Details ins Spiel kommen, legt der Orchesterdirektor die Termine für die Donnerstagskonzerte und Sonntagsmatineen, die beiden Abonnementreihen des Mozarteumorchesters, fest. Damit es zu keinerlei Überschneidungen kommt, müssen diese kunstvoll in das Netz der übrigen Orchesterengagements eingeflochten werden. An Ideen für Programme, Solisten und Dirigenten mangelt es nicht. „Oft bringt der Chefdirigent Wünsche und Konzepte mit“, verrät Konzertmeister Markus Tomasi. Auch die Anregungen des Künstlerischen Rats, der sich aus den beiden Konzertmeistern, Mitgliedern des Betriebsrats und einigen Bläser- und Streichersolisten des Orchesters zusammensetzt, werden bei der Konzipierung miteinbezogen. „Die Entscheidung liegt aber letztlich bei der Geschäftsführung“, sagt der Geiger.
Je näher der Konzerttermin rückt, desto konkreter werden die Aufgaben. Gemeinsam mit den Musikern erarbeitet Orchesterdisponentin Clarissa Weger die Einteilung der Orchestermitglieder für die verschiedenen Projekte. Der Dirigent legt einen detaillierten Probenplan vor. Im Gang vor dem Notenarchiv liegen nach Instrumentengruppen geordnet die einzelnen Stimmen der Werke. Konstanze Bilo, die Notenarchivarin, fordert sie geraume Zeit vor der ersten Probe bei den Verlagen an, damit die Musiker die Möglichkeit haben, ihren Part vorher einzusehen.
An Probentagen wird es lebendig im Orchesterhaus im Salzburger Stadtteil Nonntal. Hier ist das Mozarteumorchester seit 1991 zuhause. Zwei Probensäle, die Büros der Direktion, das Notenarchiv und etliche Stimmzimmer, wo die Musiker üben können, beherbergt es unter seinem lichtdurchfluteten Dach. Aus einigen Stimmzimmern sind Tonleitern und andere Aufwärmübungen zu vernehmen.
Ein bis zwei Stunden vor Probenstart beginnen die Orchesterwarte mit dem Bühnenaufbau im Großen Saal direkt neben dem Künstlereingang. Manchmal kann er auch mehr Zeit in Anspruch nehmen. „Das richtet sich nach der Größe der Besetzung“, berichtet Thomas Graff. Diese wiederum hängt von den Stücken ab, die auf dem Programm stehen. Der Schwerpunkt des Orchesterrepertoires liegt auf der Wiener Klassik, insbesondere auf den Werken W. A. Mozarts. Etwa 40 bis 45 Musiker, knapp die Hälfte der Orchestermitglieder, kommen dann zum Einsatz. Bei großen romantischen Programmen sind es meist doppelt so viele.
Noch während Thomas Graff und Robert Seebacher die Noten auf die Pulte legen, finden sich die ersten Musiker im Probenraum ein, packen ihre Instrumente aus und beginnen, sich einzuspielen. Lose musikalische Passagen tanzen unsichtbar durch den Raum. Solo-Oboistin Sasha Calin ist spätestens eine halbe Stunde vor Probenbeginn im Saal, wenn sich die Lautstärke noch in Grenzen hält. „Ich muss die Rohre ausprobieren und wissen, wie sie klingen“, sagt die Britin. Dazu muss sie ihre Oboe gut hören können. Der kleine Zeiger der Uhr über der Eingangstür steuert zielgerichtet auf die Zehn. Die losen musikalischen Passagen haben sich längst zu einem undefinierbaren Cluster verwoben.
Die ersten Minuten einer Probenphase sind entscheidend. „Man weiß sehr schnell, ob die Beziehung zwischen Dirigent und Orchester funktioniert oder nicht“, sagt Markus Tomasi. Vor jeder ersten Probe verspürt er daher eine innere Nervosität, die sich selbst nach dreißig Jahren in seiner Funktion als Konzertmeister nicht gelegt hat. Auch für den Dirigenten sei das der schwerste Moment.
Wenn der Maestro nach dem Einstimmen der Instrumente den Taktstock hebt, um den Noten der aufgeschlagenen Partitur Leben einzuhauchen, liegt hinter den einzelnen Musikern bereits eine Menge Arbeit. „Beim Einstudieren der Stimme zuhause muss man alle möglichen Tempi für den Ernstfall üben“, sagt Sasha Calin. „Für die Atmung kann es sehr schwierig sein, wenn das Tempo in der Probe anders ist, als man es sich vorstellt.“ Flexibilität ist gefragt, sowohl dem Dirigenten als auch den Kollegen gegenüber. Solo-Flötistin Ingrid Hasse leiht sich ihre Stimme je nach Schwierigkeitsgrad zwei bis drei Monate vor der ersten Probe aus. „Ich brauche eine lange Anlaufzeit, bis ich genau die Klangfarbe finde, die ich suche, und das Werk so verinnerlicht habe, dass es auf Knopfdruck funktioniert“, verrät die Musikerin. Sie möchte sich in der Probenphase nicht mehr mit sich selbst beschäftigen müssen. Dafür sei ihr der gemeinsame Arbeitsprozess zu wertvoll.
Das Mozarteumorchester Salzburg - Einer der ältesten Klangkörper der Welt. 128 Seiten. Verlag Müry Salzmann, Salzburg 2016. 25 Euro – www.muerysalzmann.at
Buchpräsentation morgen Donnerstag (21.7.) um 17 Uhr im Garten der Stiftung Mozarteum