Durch Gegenwart und Geschichte schlängeln
LESEPROBE / DIE DEUTSCHE BÜHNE
05/09/17 Das jüngste Themenheft des Theatermagazins „Die deutsche Bühne“ gilt dem Thema „Die Stadt als Bühne“. Es geht ums Ausbrechen aus den konventionellen Theaterräumen. Der Intendant des Salzburger Landestheaters, Carl Philip von Maldeghem, und Georg Fritzsch, Generalmusikdirektor der Landeshauptstadt Kiel, haben Impulsbeiträge verfasst. - Hier eine Leseprobe.
Von Carl Philip von Maldeghem
Alltagsleben und Idylle liegen nah beieinander. So muss sich jeder Mitarbeiter des Theaters allmorgendlich, wenn er über den Makartsteg oder durch den Mirabellgarten zu seinem Arbeitsplatz kommt, durch Touristenströme schlängeln. Überall ist man nicht nur in Postkartenmotiven unterwegs, sondern kreuzt ständig die Spuren der Architekten und Künstler, die diese Stadt geprägt haben. Daraus ergibt sich ein kaleidoskopartiges Mosaik der unterschiedlichsten Perspektiven:
Jeder Stadtbesucher erinnert sich an Familienspaziergänge durch die überfüllte Getreidegasse. Nach drei Jahren Tätigkeit für die Salzburger Festspiele trage ich in mir die Perspektive des Blicks aus meinem Büro auf dem Dach des Festspielhauses, bei der die Kirchtürme der Franziskanerkirche, des Doms und der Kollegienkirche zum Greifen nah erscheinen, während mir die Warnung meines Mentors und Chefs Gerard Mortier im Kopf herumspukt, der sagte: „Passen Sie auf, diese Stadt ist süß und klebrig wie die Salzburger Nockerl, und wenn man in sie reinsticht, fällt alles in sich zusammen, und es bleibt nur heiße Luft.“
Eine andere Perspektive ist die von der Terrasse des Salzburger Landestheaters hinüber zum Mozart-Wohnhaus. Hier kreuzten sich die Wege meines Vorvor(…)vorgängers Emanuel Schikaneder mit denen der Familie Mozart, die er als Direktor des fürsterzbischöflichen Hoftheater in seine Loge einlud und ihr danach zu den legendären Feiern in deren Wohnung folgte. Hier wurde die erste Grundlage für die Zusammenarbeit an Mozarts Meisterwerk „Die Zauberflöte“ geschaffen.
Im Eröffnungsjahr des heutigen Gebäudes des Salzburger Landestheaters war Max Reinhardt als junger Schauspieler engagiert und entdeckte die Theatralität der Stadt, die ihn so stark gefangen nahm, dass er nach den Erfolgen in Berlin 1918 heimkehrte, um die Salzburger Festspiele zu gründen – und der die Salzburger Bühne unglücklich verlassen musste, als im Jahr 1938 der „Anschluss“ kam.
Nur ein paar Schritte vom Salzburger Landestheater entfernt entdeckt man eine Statue Herbert von Karajans vor seinem Geburtshaus.
Seit der Ära von Festspielintendant Gerard Mortier hat sich etwas in Salzburg verändert, seitdem werden die Festspiele auch als Festspiele der Salzburger Bürger betrachtet. Insbesondere auch die Arbeit von Peter Stein, der die Felsenreitschule zum Mittelpunkt des Schauspielprogramms machte, schaffte neben den legendären Produktionen von Peter Sellars in der Oper eine Demokratisierung und Steigerung der Identifikation der Salzburger Bürger mit der (Festspiel-)Kultur in ihrer Stadt. Für eine Institution wie das Landestheater hatte dies interessanterweise höhere Erwartungen des Publikums zur Folge, damit verbunden aber eben auch eine größere Offenheit – und damit für das Landestheater gesteigerte Möglichkeiten. Seitdem ist es nicht nur denkbar, sondern auch möglich, zum Beispiel Opern wie „Brokeback Mountain“ innerhalb eines normalen Abo-Spielplans zu realisieren.