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Ohrfeigte grundlos...

BUCHBESPRECHUNG / THOMAS BERNHARD / LUKAS KUMMER

08/02/19 Patschen für die Gäste. Schlapfen. Stiefel in Reih' und Glied - und eine Schuhkammer als letzte Zuflucht... Die notorisch heiklen Nachlassverwalter Thomas Bernhards sind lockerer und offener für Experimente mit dem Erbe, als man meint. Der Ertrag gibt ihnen recht: Packend und anschaulich, nicht nur für Jugendliche, ist Lukas Kummers Graphic Novel Die Ursache.

Von Heidemarie Klabacher

Ausgerechnet eine Graphic Novel zum ersten Band der Autobiographie Thomas Bernhards – Die Ursache – gezeichnet von Lukas Kummer, ist ein so faszinierend beklemmendes wie wohltuend verfremdendes Supplement zum Roman.

Der große und größere Mensch wurde – zum Glück für die, die mit ihm (oder seltener: mit ihr) billige Geschäfte machen wollen – irgendwann geboren und ist irgendwann verstorben. Das ermöglicht geringeren Geistern Einkünfte aus Leichenflederei. Sogar ein Abseitling wie Adalbert Stifter wird sich „drüben“ (obwohl in seinem von Frömmlern gerne vereinnahmten Werk von Gott nun wirklich selten die Rede ist) gewundert haben, wer aller in Tourismus und Literaturwissenschaft sich seines Lebens und Werkes anzunehmen sich bemüßigt fühlt, sobald ein „Jubiläumsjahr“ ansteht. Geschäft ist Geschäft. Und auch Literaturwissenschaftler müssen von was leben.

Nun also steht - am 12. Februar - der dreißigste Todestag von Thomas Bernhard an. Was diesem zu Adalbert Stifter, auch einem notorischen Sammler, eingefallen ist (wenig Gutes, aber viel Übertreibungskünstlerisches darunter), wissen die Belesenen.

Diese sehen nun, ein wenig schadenfroh, dass es dem genialischen an Salzburg gescheiterten Nörgler nicht besser viel ergeht, wie dem vom ihm so „verachteten“ Waldviertler Beschwörer utopisch reinen Lebens, der weiland an Wien und Linz gescheitert ist.

Was unterscheidet nun – Frage der Leserin an die an den Universitäten angesiedelten Experten – tatsächlich die „Überschuhe“, mit denen ein Stifter'scher Freiherr von Risach (eine der tragischsten Figuren der Literaturgeschichte) seine kostbaren Marmorböden vor dem Getrampel seiner willkommenen Gäste beschützen wollte, von den Hausschuhen, die Thomas Bernhard Bernhard allfälligen - und jederzeit unwillkommenen - Gästen auf seinen „Bauernhöfen“ anempfahl?

Schuhe. Die Literaturwissenschaft sollte endlich einmal Schumacher und vielleicht auch Orthopäden als Exegeten gewinnen. War doch die Schuhkammer im verhassten Salzburger Internat der einzige Fluchtpunkt für den bedauernswerten Zögling Thomas Bernhard.

Einer, der ohne spürbare Eitelkeit und spürbares Schielen auf Ruhm aus zweiter Hand, sich des Lebens und Werks Bernhards auf originelle Art und Weise angenommen hat, ist der Illustrator Lukas Kummer, geboren in Innsbruck ein Jahr vor dem Tode des Großen Nörglers. Lukas Kummers Graphic Novel zum Roman Die Ursache, dem ersten Band der Autobiographischen Werke Bernhards, ist dieser Tage im Residenz Verlag in Salzburg erschienen.

Mit angehaltenem Atem blättert man in diesem Buch. Gleichförmigkeit und Gewalt. Erziehung und Krieg oder Krieg als Mittel der Erziehung. Gleichförmigkeit. Züchtigung drinnen, Bomben draußen. Zur Ursache ist nicht viel zu sagen, was nicht schon längst von Experten gesagt worden ist. Sie ist Weltliteratur. Zur Graphic Novel ist immerhin zu sagen, dass sich nicht nur Jugendlichen und jungen Leuten eine Schneise auf dem verholzten frostigen Weg zum Werk Thomas Bernhards zu schlagen vermag. Die Türme der Kirchen Salzburgs – Weltkulturerbe – in deren Schatten sich individuelle Tragödien abgespielt haben, ragen bedrohlich in einen trostlosen Himmel. Nicht alle Betroffenen haben „innerlich“ überlebt und sind Autoren von Weltrang geworden. Ihnen, Thomas' Klassenkameraden quasi, scheint Kummers zeichnerische Auseinandersetzung ein Denkmal zu setzen - mit Hilfe der bekannten Tiraden des zweit-geliebtesten Sohnes unserer Mozartstadt.

Thomas Bernhard/Lukas Kummer (Illustrationen): Die Ursache. Graphic Novel. Residenz Verlag, Salzburg 2019. 110 Seiten, 22 Euro - www.residenzverlag.com
Bilder: Lukas Kummer/Die Ursache
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