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Hinschauen, hinhören und dann Kunst machen

SUPERGAU FESTIVAL / LUNGAU

12/04/23 Wenn man land art machen will, braucht's Kunst, aber eben auch Land. Wenn am 26. Mai die Region Lungau für zehn Tage zum zweiten Supergau wird (nach dem Flachgau 2021), sind – Überraschung! – die Wiesen dort noch im Wachsen, also ungemäht. Die „Sunnwendla“ für die Prangstangen sollen wegen der Kunst tunlichst nicht niedergetrampelt werden.

Von Reinhard Kriechbaum

„Man lernt etwas über die Landwirtschaft“, so Tina Heine. „Wir fahren nicht hin und laden Kunst ab“, betonte Festival-Leiterin heute Mittwoch (12.4.) in einer Online-Pressekonferenz und spricht von einem „riesengroßen Teamplay“. Etwas scheint ja wirklich gut zu laufen beim Festival Supergau: Man rührt nicht den Bodensatz der immer gleichen heimischen Künstlerinnen und Künstler (womit nichts gegen diese gesagt sein soll, sondern nur gegen das Aufrühren von immer Ähnlichem und Erwartbarem). Es kommen auch diesmal, so wie vor zwei Jahren im Flachgau, ganz viele neue Namen ins Spiel, und all diese kreativen Menschen scheinen neugierig auf Land und Leute.

Nähe und Ferne bleiben dabei logischerweise relative Begriffe: Die Gruppe Studio Klampisan aus Indonesien hat sich per Google Maps eingearbeitet in den Lungau, für die Wander-Performance foolish land-clearers. Ultrakurz gesagt geht’s da um die Beziehung zwischen Natur und Besitz. Gehört die kostbare Natur allen oder nur einigen Auserwählten?

Edwin Stolk ist Niederländer. Er sagt zwar noch in seinem Idiom „Lüngau“, aber er hat sich wirklich sehr genau vor Ort umgehört, wo der Schuh drückt. Er hat mit vielen Leuten gesprochen und empirische Erhebungen zur Soziologie der Region studiert. Wie das Wasser fließt heißt sein Projekt, mit dem er die Frage danach aufwirft, warum vor allem junge Frauen ländliche Regionen verlassen. Werden sich potentielle Bürgermeisterinnen finden? Derzeit gibt es im Lungau nur eine. Bis es mehrere werden, wird möglicherweise noch viel Wasser die Mur hinunterfließen.

411 Einreichungen hat es gegeben, jeweils mehrseitige Konzepte und Beschreibungen. Achtzehn wurden ausgewählt. „Wir haben wochenlang gelesen“, sagt Tina Heine. Das Wort Troadkasten kommt ihr noch nicht so recht glaubwürdig über die Lippen, und mit Eachtling versucht sie's gleich gar nicht. Aber viele interessierte und offene Menschen hat sie „vor Ort“ (wie sagt man das auf Lungauerisch?) kennen gelernt. Offenbar mehr als im Flachgau, aber das habe wohl mit der Corona-Zeit damals zu tun gehabt, vermutet Tina Heine. Jetzt gehe Dialog lockerer, und der ist ja entscheidend beim Supergau. Acht von fünfzehn möglichen Gemeinden machen mit – „fast alle“ interpretiert Tina Heine diesen 53-Prozent-Anteil mit geradezu liebenswerter Euphorie.

Wie klingt ein Holzpolter? Erklären wir das Wort, es sind für den Abtransport hergerichtete, sorgsam geschlichtete Baumstämme. Es wird nicht das Nagen der Holzwürmer zu hören sein, auch nicht des Borkenkäfers. Der Berliner Toningenieur Florian Gwinner verwandelt für Porgel die Stämme in Orgelpfeifen. Wen Kunst hungrig macht, den bedient die Lungauer Kulturvereinigung mit einer mobilen Suppenküche. Und noch eine Lungauerin sorgt für leibliches Wohl. Theresa Santner ist zwar hauptberuflich Ergotherapeutin, aber angeblich auch eine geniale Nudel-Zubereiterin. Suppengau und Supernudel also...

Sundial heißt eine Aktion der Londoner Künstlergruppe Maerterea. Funktioniert an allen zehn Festival-Tagen, sofern die Sonne scheint. Besucher sollen nämlich ihren Schatten und zugleich die Natur beobachten, etwa wie sich die Blüten nach der Sonne richten. Zeit muss man da wohl mitbringen. Und wenn man Stunden unter der Sonne verbracht hat, ist nach deren Untergang vielleicht die interaktive Lichtinstallation Ursa Major (minor est!) gefragt, am Ortsrand von Zederhaus. „Wer nimmt den Hörer ab, um die Stimme der Sterne zu hören, wenn ein Telefon beim Näherkommen klingelt?“, heißt es in der Beschreibung. Wo könnte man leichter mit Sternen in Kontakt treten als in Salzburgs höchst gelegenem Landesteil?

Wer es mehr geerdet haben will: Hinter Experimental setup stehen zwei Tiroler, Kata Hinterlechner und Bosko Gastager. Sie wissen noch wie man mit der Sense umgeht und wie man das Gras zum Trocknen zu Heumandln – Stiefler sagen die beiden dazu – schichtet. Die heumandeln bringen sie zum Tanzen, wie's aussieht.

Ökologie, Wirtschaft, Lebensart im weitesten Sinne – viele auf die Region maßgeschneiderte Kunstprojekte zielen in diese Richtung. A propos Ökologie. Im Flachgau war es möglich, Kunst mehrheitlich entlang zweier öffentlicher Buslinien anzusiedeln. Per Öffi in den Lungau und dort gar kurzfristig von Ort zu Ort? „So weit sind wir hier noch nicht“, räumt Tina Heine ein. Aber immerhin, es wird ein kostenloses Tagesticket geben. Und einen Bus hat man angemietet. Auf der Suche nach einem Lenker ist man noch.

Die Karawane Parkraum wird sich nicht um Busparkplätze kümmern. Ihr geht es bei Trans:aktion Lungau auf den Marktplätzen in Tamsweg, St. Michael und Mauterndorf um die Utopie eines freien Marktes. Der Lungau – eine große Tauschbörse, eine „Via Cooperatio“, einer Neuinterpretation der einstigen römischen Handelsstraße? Dinge neu zu denken ist eine noble Aufgabe für Künstlerinnen und Künstler.

Supergau Festival 2023, von 26. Mai bis 4. Juni im Lungau – Die Kunstprojekte kann man auf der Website mittels interaktiver Landkarte finden, und mit den Koordinaten sollte Google Maps zielgerichtet auch outdoor zu den Veranstaltungen führen, die kostenlos zugänglich sind – www.supergau.org
Bilder: Supergau / Stills von dem Online-Pressegespräch

 

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