Ein Bayer in Brasilien
DIABELLISOMMER / STADLER QUARTETT
30/07/18 Mozarteumorchester-Konzertmeister Frank Stadler ist vielbeschäftigt. Eben erst kam er aus Lviv in der Ukraine zurück, wo er auf Mozarts Costa-Geige spielte. In Mattsee ließen er und seine Quartett-Mitstreiter erfolgreich und publikumswirksam die Uraufführung von Florian Willeitners „Samba“-Trio hören.
Von Horst Reischenböck
Die derzeitigen Hundstage-Temperaturen ließen eigentlich nicht erwarten, dass Sonntag (29.7.) doch eine respektable Anzahl Kammermusikfreunde den Weg in die Kollegiatskirche fand. Eingefleischte sind halt neugierig, selbst wenn wenig Bekanntes angekündigt wird. Zumal sich Gottfried Franz Kasparek in seiner letzten von ihm verantworteten Saison für Mattsee mit der mutmaßlich österreichischen Erstaufführung des Streichquartetts Nr. 1 von Sir Arnold Bax selbst ein Geschenk machte.
Der englische Spätromantiker, dem Harenbergs Kulturführer Kammermusik keine Zeile widmet (!), schuf übrigens auch sieben Sinfonien. Die sind jedoch bei uns genauso unbekannt und wären längst zu entdecken. Bax widmete seinen Quartett-Erstling Sir Edward Elgar, der das Werk leider doch nie zu hören bekam. Die an sich lichte Tonart G-Dur täuscht nicht darüber hinweg, welch dicht gearbeitete Konfliktsituationen das eröffnende Allegro semplice in sich birgt. Es tönt gar nicht so „einfach“. Auf den ruhigen Binnensatz folgt letztendlich ein energischer Country Dance, in dem irisches Idiom mitschwingt. Wählte doch der in London geborene Bax Eire zu seiner Heimat.
Frank Stadler, Iszo Bajusz (Violine), Predrag Katanic (Viola) und Florian Simma (Violoncello) widmeten sich engagiert den drei Sätzen als Einstieg in eine – so das Motto – „Weltreise mit Quartett“.
Weiter ging es aber in Trio-Formation, hieß es doch, die „Samba Sketches“ von Florian Willeitner aus der Taufe zu heben. Willeitner war Absolvent bei Benjamin Schmid (der bereits dessen Violinkonzert in Wien uraufführte). Nicht nur positive Eindrücke einer Brasilienreise Willeitner zu den vier beeindruckenden Sätzen des Trios an, die südamerikanischen Geist beschwören, ohne direkt Folklore zu bemühen. Pulsierende melodische Klänge lösen Gebete ab, in denen Willeitner als Reminiszenz an seine Heimat Johann Sebastian Bachs Choral „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ BWV 645 zitiert. Schon hier und im nachfolgend kurzen Zwischenspiel fordert er die Ausführenden auch verbal. Das rhythmisch bestimmte Finale erinnert gelegentlich an Astor Piazzolla und lässt auch kurz Walzerfetzen anklingen. Stadler, Katanic und Simma ergaben sich dieser halben Stunde mit vollem Einsatz und wurden samt Komponist entsprechend bedankt.
Nach der Pause waren's wieder vier, und es ging um den immer noch zu entdeckenden Polen Mieczyslaw Weinberg, der als Komponist von Streichquartetten lebenslang mit seinem Freund Dmitri Schostakowitsch um die Anzahl diesbezüglicher Werke wetteiferte. Das sowohl kurze wie kurzweilige frühe Capriccio op. 11 entpuppte sich als graziöses „Scherzando“. Aus Russland entließ danach Pjotr Iljitsch Tschaikowsky, der auch Arnold Bax beeinflußte, mit seinem selten gespielten 3. Quartett in es-Moll op. 30 in den Abend. Besonders der tief empfundene Trauermarsch hinterließ durch das Stadler Quartett nachhaltigen Eindruck.
