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Viele Füchse im Bau

GRAZ / DIAGONALE / ERÖFFNUNG

09/06/21 Beim Max Ophüls-Filmfestival in Saarbrücken hat der Regisseur Arman T. Riahi mächtig abgeräumt. Sein Film Fuchs im Bau erhielt dort den Preis für die beste Regie, das beste Drehbuch und auch den Preis der Jugendjury. Nun die Österreichische Erstaufführung am Eröffnungsabend der Diagonale in Graz.

Von Reinhard Kriechbaum

Warum es den „Fuchs“ in den „Bau“ verschlagen hat, das ist die Frage, die bis zuletzt eigentlich offen bleibt. Da bleibt Freiraum zum Interpretieren. Aber der Reihe nach: Hannes Fuchs ist ein neuer Lehrer im „Bau“, sprich einer Jugendhaftanstalt. Dort schwingt eine ältere Dame zwar nicht gerade den Rohrstab, aber sie schaut sehr streng über den oberen Rand der Brille. Sie hat in Jahrzehnten gelernt, sich durchzusetzen. Und die „Kinder“ - wirklich, so spricht sie die pubertären Jugendlichen an! - haben sie zu respektieren gelernt. In Wirklichkeit weiß Frau Berger, die unangepasste und undogmatische Pädagogin, was sie vermitteln kann: Farben und Pinsel hält sie für die ihr anvertrauten jungen Menschen wichtiger als Zahlenkolonnen und Rechtschreibübungen. Kein schlechter Ansatz.

Der Wiener Filmemacher Arman T. Riahi, der 2017 mit Die Migran­tigen eine zwar gewöhnungsbedürftig überdrehte, aber höchst undogmatische Komödie rund um Menschen mit Migrationshintergrund im Gemeindebau gedreht hat, taucht diesmal in ein völlig anderes Milieu ein. Der Regisseur hatte Kontakt zu einem Lehrer in einer solchen Haftanstalt, und dessen Erzählungen, Erfahrungen sind eingeflossen. Da sind also junge „Füchse“ im „Bau“ gelandet, die im Biotop draußen gescheitert sind, noch bevor sie darin Fuß fassen hätten können. Es ist eben kein Biotop für solche, die (aus welchen Gründen auch immer) nicht ins Umfeld passen. Keineswegs nur Leute mit Migrationshintergrund. Sie hegen keine großen Erwartungen an die Zukunft, und in sie setzt auch keiner in der Haftanstalt große Erwartungen. Auch die Schule dort ist auf Minimalismus ausgerichtet.

Die Geschichte ist rasch erzählt: Dem Lehrer Fuchs fällt auf, dass sich ein androgyn wirkendes Mädchen völlig in sich zurückgezogen hat. In einer familiären Auseinandersetzung hat sie ihren Vater getötet, so viel wird bald klar. Zwei Selbstmordversuche im Gefängnis. Eine Lebensaufgabe für jene, die es vielleicht dereinst mit Resozialisierung versuchen.

Fuchs im Bau ist mehr Momentaufnahme als stringente Geschichte. Mehr Impressionismus als Sozialkritik. Regisseur Arman T. Riahi ist ein Filmemacher, den Empathie auszeichnet. Als gebürtiger Perser weiß er, mit welchen Hürden Menschen in Europa, in Österreich konfrontiert sind, wenn sie scheinbar nicht ins Schema passen. Es ist Riahi gelungen, dieses Nicht-Dazupassen ganz ohne Schemenhaftigkeit zu zeichnen. Da sind zwei Lehrpersonen – zwei fulminante Darsteller: Maria Hofstätter und Aleksandar Petrović – die auch selbst so gar nicht ins Lehrer-Schema passen. „Warum sind Sie hier?“, fragt ein Gefängnisinsaße den Lehrer Fuchs. „Vielleicht, weil ich es verdient habe“, antwortet der. Die Replik des Jugendlichen: „Sind Sie auch ein Mörder?“

In die dunkle Vergangenheit dieser Jugendlichen bringen die beiden Lehrpersonen und auch eine engagierte Sozialarbeiterin (Sibel Kekilli) wenig Licht. Es ist immer nur der Saum der Wirklichkeit, den die „Erwachsenen“ von den „Kindern“ zu fassen kriegen. Und doch: Keine dieser halbfertigen Biographien ist von Natur aus als hoffnungslos gescheitert einzustufen, auch wenn das Gelingen eher in den Sternen steht. Kreativität, wie sie die Lehrerin fördert, wäre keine schlechte Voraussetzung. Und wenn gegen Ende der „Fuchs“ sich an sein Hobby, das Schlagzeugspielen erinnert und mit diesen Jugendlichen einen Rhythmus-Furor erzeugt, der die Gefängnismauern erzittern lässt, dann ist das trotz allgegenwärtiger Tristesse eine Lebens-Frohbotschaft sondergleichen. Fast will man lachen über die betretenen Gesichter der Aufpasser im „Vollzug“. Was für ein Wort!

Fuchs im Bau fasziniert durch sein Flechtwerk an unterschiedlichsten Psychogrammen. Ein Wimmelbild könnte man es nennen. Man wird angeregt, über all diese Menschen und ihre halbfertigen, oft geknickten und eingerissenen Lebensläufe nachzudenken. Und Fuchs im Bau ist ein toller Schauspieler-Film, nicht nur wegen Maria Hofstätter und Aleksandar Petrović und dem auf zwielichtige Typen abonnierten Andreas Lust als leicht intrigantem Ordnungshüter im „Bau“. Handverlesen sind die jugendlichren Darsteller gecastet, und geradezu eine Bravourleistung bringt

Fuchs. Er greift in einer Szene zu einem Fünfzig-Euro-Schein, zerknüllt ihn, öffnet dann die Faust, und glättet den Schein. Natürlich sind da Falten. „Aber es sind immer noch fünfzig Euro“, sagt Fuchs, „und so seid Ihr immer noch Menschen.“

Das Filmfestival Diagonale in Graz dauert bis Sonntag, 13. Juni – www.diagonale.at
Bilder: Diagonale / Golden Girls Film

 

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