Kubricks Erbe?
DAS KINO / FILMCLUB EXTRA
19/01/15 Ein besonderer Film pro Monat ausgewählt und vorgestellt vom Filmjournalisten Helmut Hollerweger: Das ist der neue „Filmclub extra“ im Salzburger Filmkulturzentrum Das Kino. Start ist am 20. Jänner mit Jonathan Glazers rätselhaften„Under The Skin“.
Von Heidemarie Klabacher
Ein Film, der es trotz nackter Sarlett Johannson nicht ins „normale“ Kino geschafft hat, muss was Besonderes sein. Jonathan Glazers Film „Under The Skin“ mit einem männermordenden Wesen in weiblicher Gestalt - vielleicht ein Alien - ist der ideale Auftakt für den neuen „Filmclub extra“: „Zu sehen gibt es aktuelle Filme ebenso, wie bekannte und vergessene Klassiker. Was die gezeigten Filme verbindet, ist ihre cineastische Bedeutung. So schildert Helmut Hollerweger sein Konzept. „Zu jedem Film gibt es eine Einführung, im Anschluss an die Vorführung besteht die Möglichkeit zur Diskussion in entspannter Atmosphäre“. Auf dem Programm stehen jedenfalls „außergewöhnliche kinematografische Werke“. Zudem wolle er, so der der Filmjournalist in der Aussendung, der Wirkung und Bedeutung solcher zentraler Kinobilder nachgehen.
„Das Vergleichen von Standpunkten macht uns als Menschen intelligent“, zitiert Einladung den französischen Filmkritiker Serge Daney: „Wer im Kino nichts gesehen hat, hat alles verpasst!“ In diesem Sinne verstehe sich der „Filmclub extra“ als „lebendigen cineastischen Diskurs.“ Eröffnet wird die Reihe also mit der eingehenden Betrachtung von Jonathan Glazers Film „Under The Skin“ aus 2013. Das Drehbuch von Jonathan Glazer und Walter Campbell folgt dem Roman „Die Weltenwanderin“ von Michel Faber.
Worum geht’s? Eine außerirdische (?) Lebensform kommt auf die Erde und nimmt das Aussehen einer jungen, verführerischen Frau namens Laura (Scarlett Johansson) an. In einem Lieferwagen fährt das mysteriöse Wesen mit dem pechschwarzen Haar und den blutroten Lippen allein durch Schottland – ständig auf der Suche nach Beute. Auf Parkplätzen, in abgelegenen Straßen und in Clubs lauert es allein stehenden Männern auf, die auf schnellen Sex hoffen und der überirdischen Schönheit in die Falle gehen. Laura lockt die nichts ahnenden Opfer in ihr Haus. Hinter dessen heruntergekommenen Fassade verbirgt sich nichts als Schwarz. Man wirft sich laszive Blicke zu, zieht sich aus. Und bevor die sexuell aufgewühlten Männer wissen, wie ihnen geschieht, gehen sie in einem dickflüssigen See unter, während Laura an der Oberfläche der Flüssigkeit weiter spaziert. Eines Tages kommen der rätselhaften Laura jedoch Zweifel an ihrem Tun…
Nachdem „Under The Skin“ bei seiner Premiere beim Filmfest in Venedig vom Publikum mit einer Mischung aus Jubel und Buhrufen aufgenommen wurde, erinnert die Aussendung, habe die deutsche Verleihfirma auf einen Kinostart verzichtet und den Film gleich als DVD und Blu-Ray veröffentlicht: „Ausgerechnet einen Film von solcher Wucht dem Kino vorzuenthalten, heißt dem Kino ganz konkret die Zukunft zu rauben“, haben sich damals ein paar Cineasten gesagt und mittels Facebook-Aktion erreicht, dass „Under The Skin“ zumindest in einigen ausgewählten Programmkinos zu sehen war. Dieser Film sei, so schrieb Peter Körte im Juni 2014 in der FAZ, „ohne Zweifel einer der exzentrischsten, unheimlichsten, rätselhaftesten Filme seit langem. Er zeigt, wie heftig einen das Kino noch überraschen kann. Er geht einem unter die Haut.“
Körte schließt seinen Text mit einem Hieb gegen den die „trostlose deutsche Kino- und Verleihlandschaft“: „Was sich nicht eindeutig als multiplextauglicher Mainstream oder gediegenes Arthouse-Produkt mit künstlerischer Haltungsnote verkaufen lässt, hat keinen Ort und keine Chance. Da hilft dann nicht mal die nackte Scarlett Johansson. So wird der Film selber zum Alien.“
Der Regisseur Jonathan Glazer, 1965 in London geboren, hat sich in den 90er und 00er Jahren mit visuell brillanten Werbespots und Musikvideos für Blur, Radiohead oder Nick Cave einen Namen gemacht. Sein Kinodebüt gab der „wohl spannendste Filmemacher seit Kubrick“, so hieß es beim Waves Filmfest, im Jahr 2000 mit dem mehrfach ausgezeichneten Gangsterfilm „Sexy Beast“ mit Ben Kingsley. 2004 folgte „Birth“ mit Nicole Kidman. In „Under The Skin“ stehen Scarlett Johansson etwa Antonia Campbell-Hughes oder Paul Brannigan zur Seite – oder wehrlos gegenüber.