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Die Stadt ohne Juden

HINTERGRUND / DAS KINO / FILMGESCHICHTE

30/08/18 Es begann mit einem Zufallsfund auf einem Pariser Flohmarkt 2016 und führte zu einer beispiellosen Filmrettungsaktion – Österreichs bislang größter Crowdfunding-Initiative im Kulturbereich: Die Rekonstruktion des Stummfilms „Die Stadt ohne Juden“, zu sehen morgen Freitag (31.8.) im Salzburger Filmkulturzentrum „Das Kino“.

Mit der überwältigenden Unterstützung der Zivilgesellschaft also gelang dem Filmarchiv Austria die nahezu vollständige Wiederherstellung des historischen Filmdokuments aus dem Jahr 1924. „Die Stadt ohne Juden“ wurde nach einer Romanvorlage des jüdischen Schriftstellers Hugo Bettauer gedreht. Dem „Roman von übermorgen“, wie der Untertitel lautet, wird aus heutiger Perspektive oft prophetische Weitsicht in Bezug auf die Geschehnisse im Dritten Reich zugeschrieben, die sich auch in den filmischen Bildern der Vertreibung der Juden widerspiegelt. Tatsächlich lag „übermorgen“ damals also sehr nahe.

Regie führte Hans Karl Breslauer. Nur wenige Monate nach der Uraufführung am 25. Juli 1924 in Wien wurde der Autor der Romanvorlage von dem Nationalsozialisten Otto Rothstock in seinem Büro erschossen. Der Film geriet rasch in Vergessenheit, wurde aber immerhin noch 1933 in Amsterdam als Zeichen gegen Hitlerdeutschland gezeigt. Das war möglicherweise jene Kopie, die 1991 im Nederlands Filmmuseum in Amsterdam wiederentdeckt wurde. Jene Version, die 2008 in der DVD-Reihe „Der österreichische Film“ herausgegeben wurde, war geschnitten und nachbearbeitet, denn das Originalmaterial aus Amsterdam wies starke Zersetzungserscheinungen auf.

Der Inhalt: Das Volk fordert die Ausweisung der Juden, die es für die negativen wirtschaftlichen Entwicklungen der Zeit verantwortlich macht. Der Bundeskanzler „Dr. Schwerdtfeger“ setzt sich aus taktischen Gründen an die ideologische Spitze dieser Bewegung und liefert in seinen Reden vor dem Parlament Gründe der Unmöglichkeit des Zusammenlebens mit der jüdischen Bevölkerung, die ausgewiesen wird, was zum kulturellen Ruin des Landes führt. Erst die Wiederansiedlung von Juden führt zu einer Verbesserung der Lage, die Wiedervereinigung von Liebespaaren (jeweils ein jüdischer Mann und eine christliche Frau) soll die Notwendigkeit der Harmonie innerhalb der gesamten Bevölkerung zeigen.

Seit heuer also kann man „Die Stadt ohne Juden“ in der rekonstruierten Fassung sehen. Der ursprünglich verschollene Schluss, eine dramaturgische Parallelerzählung und bislang unbekannte Bilder mit klar antisemitischer Konnotation lassen den Film in gänzlich neuem Licht erscheinen. Denn nur scheinbar geht es um Ausgleich und Verständnis füreinander (was die Nazis motivierte, Stinkbomben in die Filmsälen zu werfen). Auf der anderen seite wird kein Juden-Klischee ausgelassen, womit man dem Zeitgeist und künftigen Entwicklungen zuarbeitete. Nicht von ungefähr hat „Die Stadt ohne Juden“ auch von jüdischer Seite einst Kritik auf sich gezogen. Jedenfalls: ein höchst bemerkenswertes und für die österreichische Filmgeschichte wichtiges Zeitdokument.

Die Projektion im „Das Kino“ wird mit elektronischer Live-Musik von Gerhard Senz untermalt. Der in Wien lebende Künstler studierte MultiMediaArt an der FH Salzburg mit Schwerpunkt Sound. (Das Kino/dpk-krie)

Die Stadt ohne Juden“, Freitag (31.8.), 20 Uhr, Das Kino – www.daskino.at
Bilder: Das Kino

 

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