Offene Geschichten über Ein- und Zweisamkeit
DIAGONALE / SALZBURGER BEITRÄGE
14/03/18 Ein Rundum-Erfolg, wie ihn Salzburger Filmemacher im Vorjahr bei der Diagonale in Graz eingefahren haben, ist natürlich nicht wiederholbar. Heuer hat es kein abendfüllender Streifen Salzburger Provenienz in den Wettbewerb geschafft, weder bei den Spielfilmen, noch bei den Dokumentarfilmen.
Von Reinhard Kriechbaum
Mit der Lupe also muss man sich im Programmbuch auf die Suche nach den Salzburger Filmschaffenden machen, aber man wird fündig: „Im Schatten der Utopie“ hat Antoinette Zwirchmayr den dritten Teil einer filmischen Familien-Anamnese genannt. Sie ist damit immerhin auf die Berlinale gekommen.
Zwirchmayr'sche Familiengeschichte aus Frauenperspektive, mit Stimmen dreier Generationen aus dem Off. Die Kinderstimme steht für die Regisseurin selbst, „aufgewachsen im einzigen Hochhaus von Salzburg“. Von ihren Brasilien-Erfahrungen erzählen sie alle drei, von Gerardo, dem jüdischen Widerständler, der dorthin in der Nazi-Zeit emigriert ist, von Salzburger Glücksrittern, die eine Edelstein-Mine erworben haben. „Die Realität läuft unserem Leben hinterher“, heißt es einmal, „jedenfalls hatten wir uns fest vorgenommen, die Wirklichkeit so bald wie möglich zu überholen“.
Antoinette Zwirchmayr kleidet den Überholvorgang, der Crashs ausblendet, in poetisch-ferne Bilder. Sie lässt Brasilianerinnen wie schleierwehende Gedanken-Wesen an der Küste ins Meer schauen. Geometrische Spiegel-Konstrukte in den Filmbildern wecken die Assoziation an die Halbedelsteine und vergegenwärtigen die Illusionen – beides geheimnisvolle Kraftbringer.
Wo die Sache hin läuft? Jede Generation muss wohl ihre eigenen Utopien umzusetzen versuchen, und das vielleicht erfolgreicher als Mutter und Großmutter (Julia Gschnitzer hat ihr die Stimme geliehen). Die Junge, positiv und optimistisch: „Das kleine Mädchen, längst eine Frau, kann reisen und schauen und sprechen und der Spur ihrer eigenen Identität folgen. Wohin auch immer.“ Gute Aussichten.
Von dem 1993 in Hallein geborenen Alexander Gratzer ist heute Dienstag (14.3.) am Vormittag der Zeichentrickfilm „Animateur“ uraufgeführt worden. Auf dem Dach eines Häuschens am Pool produziert sich ein Mann als Animateur, aber da ist weit und breit niemand, den es zu animieren gälte. Beruf verfehlt? Frustriert liegt er dann neben seiner Frau und sinniert. Vielleicht doch der Bauch zu rund? Das auch, aber es wird klar, dass dieses Paar bewusst ausgestiegen ist, übersiedelt in die Einsamkeit. Rund um den pool und einen schmalen Rasenstreifen ist ja nichts als Wüste. „Klaus, ich fühle mich so animiert!“, sagt sie. Da bleibt offen, ob das ein gutes oder ein schlechtes Ende für die zwei und überhaupt ist.
In „Entschuldigung, ich suche den Tischtennisraum und meine Freundin“ ist vom Paar nur mehr einer übrig. Ein Zerwürfnis, sie ist plötzlich weg. Er durchstreift die durchgestylt-surrealistische Hotellandschaft. Sie bleibt verschwunden, Kurzkontakte mit Menschen, die Episode bleiben. Bernhard Wenger (Jahrgang 1992) hat es mit dem Kurzspielfilm heuer schon in den Wettbewerb um den Max Ophüls-Preis und dort zum Publikumspreis gebracht. Vielleicht kann man den Streifen so deuten: Auf sich ganz allein ist man heutzutage nie zurückgeworfen. Der sitzen gelassene einsame Wolf von heute hat wenigstens sein iPhone.