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„Überzeugter Zwangsbeglücker“ und nicht Quotenjäger

TODESFALL / GERD BACHER

29/06/15 „Der ORF muss nicht nur Referent, sondern primär eigenständiger Auftraggeber von Kultur sein“: So Gerd Bacher, als er 1967 antrat, den ORF aus dem unmittelbaren Zugriff der Politik zu befreien und als öffentlich-rechtliche Sendeanstalt mit dezidiertem informations- und Kulturauftrag neu zu positionieren.

Von Reinhard Kriechbaum

Die Kultur-Mission war damals, im nur allmählich abflauenden Luftzug der Wirtschaftswunderjahre, leichter umzusetzen als die politische Unabhängigkeit der Institution. Gerd Bacher war zwanzig Jahre lang ORF-Chef. Die fünf Funktionsperioden waren unterbrochen von Phasen, da sich die Abnabelung von der Macht der Parteien als doch nicht machbar erwiesen und er selbst zum Opfer neuer politischer Konstellationen wurde. Aber in Summe doch eben ein Fünftel eines Jahrhunderts „Ära Gerd Bacher“. Die Organisation des Senders mit Studios und eigenständigem Regionalprogramm in allen Bundesländern, mit dem Programm Ö1 als Informations-, Bildungs- und Kultursender, mit Ö3 auf der anderen Seite – all das sind Errungenschaften, die unmittelbar Gerd Bacher zu verdanken sind. Der rhetorisch brillante, um Pointen nie verlegene Medienmann ist am Samstag (27.6.) in Salzburg im Alter von 89 Jahren gestorben.

Der ORF als Auftraggeber von Kultur! Welcher ORF-Intendant getraute sich einen solchen Satz noch in den Mund zu nehmen? Die Ära Bacher und die Kultur: Natürlich waren es „andere Zeiten“, gab es insgesamt mehr (und immer mehr) Geld und noch nicht die Quoten-Konkurrenz durch die privaten Sendeanstalten. Aber: Wäre die Kontinuität eines „Musikprotokolls“ in Graz (eine der Programm-Basiszellen für den Steirischen Herbst) denkbar gewesen ohne ein so klares Kultur-Bekenntnis auf oberster Führungsebene? Hätte das ORF-Sinfonieorchester sich so entwickeln können? Aus jedem Bundesland lassen sich ORF-Initiativen aufzählen, die auf die Kultur jeweils vor Ort nachhaltig einwirkten, sie befruchteten, sie überhaupt erst möglich machten.

Oder: Wie vergleichsweise rigid gteht der ORF im Moment mit Aufnahmen von Festspielkonzerten um? Eine CD-Reihe wie die „Festspieldokumente“ könnte überhaupt nicht erscheinen, wäre der ORF nicht in den zwanzig Bacher-Jahren so konsequent parat gestanden mit seinen Mikrophonen und Kameras...

Sogar die Architektur kann Bacher als Förderer ins Treffen führen: Jenen Karikaturisten (und hauptberuflich: Architekten), der ihm das Synonym „Tiger“ verpasst hat, beauftragte er mit der Planung der Landesstudios. „Lass den Tiger ins Fernsehen“, hatte Gustav Peichl, eine Zeichnung betitelt, Anspielung auf den Slogan einer Benzinmarke, die ihren Kraftstoff als „Tiger im Tank“ anpries. Der Peichl-Tiger entfaltete seine Kräfte fortan im medialen Herz des Landes.

Vor zwei Jahren hat Gerd Bacher für sein mediales Lebenswerk den Kulturfonds-Preis der Stadt Salzburg erhalten. „Dafür, dass ich zwanzig Jahre lang den ORF habe führen dürfen, betrachte ich mich als einen Sohn des Glücks“, sagte er damals in dem zu diesem Anlass gedrehten Kurz-Porträt. Und er, der immer Selbstbewusste, hat da auch quasi aus dem Nähkästchen geplaudert über seinen Sinn für Qualität und Intellekt. Zu – politisch wie sachlich – Andersdenkenden habe er stets einen deutlich besseren Draht gehabt als zu den Ja-Sagern und Mitläufern, sagt er in diesem Filmporträt sinngemäß, und dann: „Ich habe immer lieber fähige Gauner als langweilige Anständige gefördert.“

Es war 1999, da ist Gerd Bacher gemeinsam mit Karl Kraus und Hans Dichand zu „Österreichs Journalisten des 20. Jahrhunderts“ gewählt worden. Mit Ersterem verband ihn die Lust am spitzzüngigen Formulieren, Zweiterer war ihm zeitlebens eine mediale Schreckfigur.

Für markige Sprüche war Gerd Bacher immer gut. Und viele dieser Sager könnte man Medienmachern unserer Tage getrost ins Stammbuch schreiben: „Der Rundfunk hat jedem etwas zu bieten. Das soll aber keine Pauschalausrede für die Nivellierung nach unten sein. Nicht nur der Dumme hat Anspruch auf Berücksichtigung.“ Ein Bacher-Zitat aus dem Jahr 1967, als er nach dem Rundfunk-Volksbegehren erstmals ins Intendantenamt kam.

Und denkbar un-zeitgeistig: „Ich bin ein überzeugter Zwangsbeglücker und kein Quotenjäger.“ Da wird freilich klar, dass Gerd Bacher die Entwicklung der letzten zehn, fünfzehn Jahre zwar hellwach mitverfolgt und nicht selten, wie von ihm zu erwarten, trefflich-pointiert kommentiert hat. Aber diese Welt der Privaten ist ihm, dem überzeugten Selbst-Denker, im Kern fremd geblieben: „Ich lege Wert darauf, Obmann einer Ein- Mann-Partei mit Aufnahmesperre zu sein, mich können Sie nirgends zuweisen. Ins bürgerliche Lager - was immer man darunter versteht - bin ich natürlich einzureihen. Und dort bin ich halt einer der wenigen Artikulierer gewesen.“

Dieser Artikulierer ist nun also verstummt. Chapeau vor Gerd Bacher, der Österreichs Kultur in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ganz wesentlich mitgeformt hat.

Bilder: Stills aus der Kurz-Bio zur Kulturpreis-Verleihung 2013

 

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