Mit dem Fluss der Zeit
TODESFALL / MARTIN RASP
17/02/12 „Vieles gelingt uns nicht und am Ende steht der Tod“ hat Martin Rasp der Schau "Tagliamento 81" mit Objekten, Assemblagen, Collagen, Frottagen und dokumentierenden Fotos vor dreißig Jahren in der Galerie Armstorfer an die Wand geschrieben.
Von Wolfgang Richter
Seiner langen Krankheit hat Rasp sich mutig und realistisch gestellt, 71jährig ist er am 7. Februar gestorben. 1940 in Vilshofen geboren, im Flachland an der Donau aufgewachsen (was wohl seinen Wunsch nach Aufbruch, Weite, Freiheit begründete) lebte er in den Bergen. Zwischen dem steinernen und dem flüssigen Meer war auch sein künstlerischer Aufenthalt. Als gelernter Büro-Kaufmann, der bis zu seiner Pensionierung in der Krankenkasse arbeitete und als geradliniger SPD-Politiker und Gemeinderat von 1978 bis 2007 zeigte er Zivilcourage. Sein wohl wichtigstes Engagement galt der Errichtung der Gedenkstätte auf dem Obersalzberg.
Seine Neugier an der Kunst versuchte er zunächst mit Kursen an der Berchtesgadener Schnitzschule zu stillen, bis er auf den Kreis um den Salzburger Künstler Werner Otte aufmerksam (gemacht) wurde. Unter dessen Obhut entfaltete Martin Rasp von 1969 an sein Sensorium und wurde im Lauf der Zeit vom Schüler zum Freund. Eingebettet in die von Hermann Ober und Werner Otte gegründete „Gruppe 73“ entwickelte er in diesem Netzwerk, in dem viel miteinander gefeiert, diskutiert und ausgestellt wurde, seine künstlerische Ausdrucksform.
Über Werner Ottes Kurse in Kroatien kam er mit dem Karst in Berührung und erlebte auf der Fahrt in den Süden seine erste Tagliamento-Überquerung. Inzwischen hatte Rasp die Collage als adäquates Ausdrucksmittel für sich entdeckt. Er lernte im „Sich-gehen-Lassen“ den Zufall gebrauchen und den richtigen Zeitpunkt abzuwarten, denn „wenn man finden will, findet man nichts“ erklärte er in einem Film von Thomas Harlan, in dem sein (inzwischen aufgelassenes) Atelier am Salzberg porträtiert wird.
Von der Zeit gedemütigte und vom Gebrauch gezeichnete Gegenstände hat er dort zusammengetragen. Hierin liegen die Bezugspunkte zum Menschen und zu der von ihm geformten Umwelt. Eine ordentliche Portion Humanismus also. Sein Einüben ins Vergängliche vollzog sich immer auf eine Weise, die seinem Wesen entsprach: schlicht, aber eindringlich. So wichtig ihm das Formale immer gewesen ist, mit Effekt und Pathos wollte er nicht gemein werden. Ein Foto oder eine Notiz im Skizzenbuch (Martin Rasp konnte ein leidenschaftlicher Zeichner sein), Konstruktionszeichnungen oder Ideen zu Handlungsabläufen und Aktionen standen am Beginn des künstlerischen Prozesses. Frottagen transformierten den Gegenstand – und dann musste manches abliegen, bis jenen Grad an Mürbheit erreicht hatte, der in samtene Eleganz mündete. Das Konzept der arte povera mag ihn in diesem Bestreben bestärkt haben.
Das „Auf dem Weg Sein“ war bei Martin Rasp an konkrete Orte gebunden: aus den trockenen Adern des Tagliamento saugte er Relikte wie aus dem Mittelmeer gestrandete Zeit. Lubenice auf der kroatischen Insel Cres wurde für ihn zu einem Bezugspunkt, den er immer wieder aufsuchte, um dort in der Geschichte zu stöbern.
Mit Aufbruch verbunden waren die Archetypen Boot und Flugschiff. Angetrieben von einer Sehnsucht ging es ihm immer wieder darum, Gefährte der Verwandlung wie des Transitorischen zu erdenken. Dem Nutzlosen, dem Verfall Preisgegebenen, dem aus dem ökonomischen Prozess Ausgeschiedenen widmete Martin Rasp seine Aufmerksamkeit, um damit Hinweise auf zeitlos gültige Tatsachen zu geben. Die Demut, mit der er dabei ans Werk gegangen ist und die Geduld, mit welcher er (in der Tradition Werner Ottes) seine Sicht der Dinge in Kursen anderen nahegelegt hat, zeichnen nicht nur das Werk, sondern auch den Menschen aus.