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Erhalten mit Haltung

HINTERGRUND / GESTALTUNGSBEIRAT / STADTPLANUNG (3)

10/05/16 Wo bleibt der Schulterschluss mit dem Gestaltungbeirat? Kulturschaffende und Intellektuelle müssen massiven Druck auf die Politik ausüben. Weil die respektvolle Erhaltung von Identität nicht vom Investor, sondern der öffentlichen Hand entschieden werden sollte, ist das Engagement des Gestaltungsbeirats in Salzburg so wichtig. Hat er ausreichend Unterstützung?

Von Norbert Mayr

„Wenn kein strukturelles Umdenken ‚über Nacht‘ geschieht, wird […] das Silogebäude der Rauchmühle in Lehen (1912) der nächste Totalverlust sein. Die für die Mehl- und Getreidelagerung in der Mühlengeschichte Anfang des 20. Jahrhunderts neuentwickelte Architekturform des Silos, hier mit einer äußerst bemerkenswerten Holzkonstruktion, ist zu einer unverzichtbaren Landmark im Stadtteil Lehen geworden“, schrieb der Autor vor rund einem Jahr, am 2. April an dieser Stelle. Der Wettbewerbsentscheid von Mai 2015 schien den Abriss zu besiegeln. Seit der September-Sitzung fordert der Gestaltungsbeirat die Erhaltung. So ist für „Jungmitglied“ Bernardo Bader nicht nachvollziehbar, warum man mit dem Silo etwas wegnehmen wolle, was man doch suchen würde – gute Baukörper. Seitdem schwärmt der Projektentwickler, der sich mittlerweile sowohl vom Architekten des Siegerprojekts als auch vom Landschaftsplaner getrennt hat und die Wettbewerbskultur mit Füßen tritt, vom Silo, weil er dessen Volumen als zusätzliche „Bonuskubatur“ lukrieren kann. Was PRISMA (Hauptakteur in der Gesellschaft „An der Glan Investment“, in der sich auch die ehemalige Besitzerfamilie Rauch Anteile sicherte) unter der angekündigten „behutsamen Transformierung“ versteht, zeigen ihre authentizitätszerstörenden Entwürfe: der Abriss der händisch gehobelten Holzkonstruktionen im Inneren, der Einbau mittelgangerschlossener Zweizimmer-Wohnungen und eines Penthouses. Es wäre keine Überraschung, wenn diese massiven Eingriffe, etwa die geplante Öffnung der Kolossal-Blendbögen (siehe Bild) zu einem Neubau mit applizierten Kulissenfassaden führen würde. Mit einem ähnlichen Schmäh haben sich auch die Panzerhallen-Investoren in Maxglan tausende Quadratmeter „Bonuskubatur“ bei minimaler Erhaltung „organisiert“. Entkernungen sind auch bei der Rauchmühle die „optimistischste“ Zukunftsvariante, in kultivierten Kommunen ist sie längst keine zeitgemäße Erhaltungsstrategie mehr.
2008 gelang es DOCOMOMO Austria, bei der Neustrukturierung des Stadtwerke-Hochhauses (Josef Hawranek/Erich Horvath) von 1968 den Immoblienentwickler PRISMA zu überzeugen, die großflächigen Plattenverkleidungen als wesentlich für den Charakter des Hauses zu erhalten. Heute bei der Wohnanlage Rauchgründe hat es PRISMA in der Hand, den räumlichen Mehrwert des Silos mit seiner atmosphärischen Holzkonstruktion respektvoll weiterzuentwickeln, das Geschenk von Raum mit Haltung zu erhalten.

Weil die respektvolle Erhaltung von Identität nicht vom Investor sondern der öffentlichen Hand entschieden werden sollte, ist das Engagement des Gestaltungsbeirats in Salzburg so wichtig. Hat er ausreichend Unterstützung? In Wien hinterfragen unabhängige Akteure aus der Architekturszene städtebauliche Fehlentwicklungen kritisch, so haben sich die Österreichische Gesellschaft für Architektur (ÖGFA) und zahlreiche Persönlichkeiten klar gegen das Investorenprojekt eines Hochhauses mit Luxuswohnungen auf den Gründen des Wiener Eislaufvereines (Hotel InterContinental) ausgesprochen. Auf der anderen Seite klingen Aussagen wie die von Dietmar Steiner, Leiter des Architekturzentrums Wien, wie PR-Arbeit für die Stadt Wien bzw. Investor, die finanzielle Abhängigkeit ist offensichtlich.

Im viel kleineren Salzburg scheint der vorauseilende Gehorsam noch größer. Bei der Eröffnung der Panzerhalle vor einem Jahr hat sich ein lokaler Architekturvermittlungsverein, der von der Öffentlichen Hand finanziert wird, dem Investor in besonderer Weise angebiedert: Damals rief die Panzerhallen Betriebs GmbH zum Shopping inmitten der „Verschmelzung historisch-industrieller Substanz mit moderner Architektur“ auf (www. panzerhalle.at): Die Panzerhalle sei „aufwendig renoviert & adaptiert, die historische, industrielle Bausubstanz weitestgehend erhalten und mit einer modernen Architektur ergänzt“ worden.

Die „Initiative Architektur“ schwärmte im gleichen Sinn von einer „Verschmelzung von historischer Substanz und moderner Architektur“. Gegen besserer Wissens hat der Architekturvermittlungsverein die substanzlose Propaganda der Panzerhallen GmbH übernommen. Die Investoren hatten behauptet, 75 Prozent der Panzerhalle erhalten zu haben, tatsächlich haben sie radikal entkernt: Nicht mehr als rund drei Viertel der Außen- respektive Haupttrennwände sowie deren Tore blieben übrig, also ein paar Prozent der Bausubstanz. Verständlicherweise distanziert sich auch GB-Vorsitzender Walter Angonese von dieser brutalen Art der Panzerhallen-„Renovierung“.

Die Bausubstanz schmolz weg, statt mit zeitgemäßen Interventionen zu verschmelzen. Ein tatsächlicher Dialog von Alt und Neu wäre wünschenswert und möglich gewesen. Vom Investor kann nicht erwartet werden, dass er dies aus eigenen Stücken macht, dies muss eine kompetente Fachöffentlichkeit und eine unabhängige Stadtplanung einfordern, die im Vorfeld der Entwicklung eines Areals entsprechende Weichenstellungen zu stellen hat.

Bei der Architekturreform der Bürgerliste in den 1980er Jahren sollten die Strukturen der Nachkriegsjahrzehnte mit der „Zweckgemeinschaft Wohnbauträger-Architekt-Politiker“ zerschlagen und der Bürger zum Bauherrn seiner Stadt gemacht werden. Ob Gestaltungsbeirat, unabhängige Bürger (ohne Liste) oder NGOs wie die Um+Bau+Kultur Salzburg: ihnen gemeinsam ist heute die Forderung nach einem (ressourcen)schonenden Umgang mit dem identitätsstiftenden Bestand im Salzburg außerhalb der Postkartenmotive. Die Stadtplanung bräuchte nur ihre eigenen im REK formulierten Ziele erst nehmen, Verantwortung übernehmen und entsprechend auf Stadtpolitik, Bauträger bzw. Investoren einwirken. Sie nutzt ihre Instrumente (z.B. rechtzeitige Erhaltungsgebote, Abschöpfung von Planungsmehrwerten) viel zu wenig.

Ein fundamentales Umdenken in der Stadtpolitik wird wohl nur von außen initiiert werden können. Schauen die Kulturschaffenden, Kunstvermittler und Intellektuellen in Salzburg der zerstörerischen Demontage von Baukultur und Gestaltungsbeirat durch unbedarfte Politiker weiterhin zu, sind sie für die Folgen mitverantwortlich! (Ende der Serie)

Der Architekturhistoriker Norbert Mayr ist Mitglied der Initiative Um+Bau+Kultur Salzburg
Bilder: Bilder: Norbert Mayr (3); Helen & Hard (2)
Zur Folge 1 Ratschlag statt Kahlschlag
Zur Folge 2 Lasst das bessere Alte wenn das Neue nicht besser wird“

 

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