„Lasst das bessere Alte wenn das Neue nicht besser wird“
HINTERGRUND / GESTALTUNGSBEIRAT / STADTPLANUNG (2)
09/05/16 Das sagt der deutsche Architekt Arno Brandlhuber, Mitglied des Gestaltungsausschusses. – Ob sich, ähnlich dem Gestaltungberat, auch die Stadtplanungspolitik von Innen reformieren wird, ist freilich äußerst fraglich. Zu groß sind die destruktiven Kräfte.
Von Norbert Mayr
Die Stadt sollte eine positive Vorbildfunktion als Bauherr und Baubehörde für intelligentes Weiterbauen haben, das anhaltendes Desinteresse Salzburgs an ihrer eigenen Baukultur fördert aber Verluste.
Laut Räumlichen Entwicklungskonzepts der Stadt von 2007 (REK) müssen historische Ensembles im Rahmen von Baubewilligungsverfahren, städtebaulichen Studien oder Wettbewerben berücksichtigt werden. Die Stadtplanung agiert allerdings gegenläufig: Sie ließ bei der Erstellung des Bebauungsplans für eine Wohnanlage anstelle der Riedenburgkaserne drei Erhaltungsgebote unter den Tisch fallen (Riedenburghalle, Kommandogebäude und das nördliche Nachbarhaus an der Moosstraße, die beiden letzteren um 1890). Korrekt als geschützt eingetragen wurde nur die laut der historischen Erhebung „unbedingt“ erhaltenswürdige Biedermeiervilla. Allerdings lud die Stadt mit den Wettbewerbsbedingungen zum Abriss der Villa ein: Für einen alternativen Ersatzbau seien „die qualitative Verbesserung der städtebaulichen Situation sowie die wirtschaftliche Notwendigkeit als Voraussetzung für die Beantragung der Aufhebung dieses Erhaltungsgebotes nachzuweisen“.
Architekturaktivisten protestierten erfolgreich und forderten zudem die Nachnutzung der baukulturell nicht minder wertvollen und ebenfalls durch ein Erhaltungsgebot geschützten Riedenburghalle von 1926. Als vorhandenes Raumpotenzial und öffentlicher Ort ist sie prädestiniert, den zentralen Baustein für das sinnvolle Weiterentwickeln des Stadtteils zu bilden. Vom Gestaltungsbeirat kam Unterstützung, prompt beschloss die Gemeindepolitik ihren Abriss.
Auch das bemerkenswerte Kleinensemble um die Volkschule Gnigl wurde mit dem Gemeinderatsbeschluss vom 16. Dezember 2015 der Abrissbirne überantwortet, obwohl die städtischen Expertisen 1986/1992 die Erhaltung „unbedingt“ gefordert hatten: Architekt Paul Geppert d. Ä. hatte 1927/28 Schule und die beiden vorgelagerten Lehrerwohnhäuser um ein platzartiges Zentrum gruppiert. Der Gestaltungsbeirat bedauert den Gesamtabriss, macht sich angesichts der fortgeschrittenen Planung zum „Bildungscampus“ immerhin für die Erhaltung eines Lehrerhauses stark, der Abriss des zweiten ist bereits im August 2015 erfolgt.
Zum Hintergrundgespräch war Bürgerlisten-Stadtrat Johann Padutsch als Diskussionspartner angekündigt, er blieb nur kurz mit einem bezeichnenden Statement: Anregungen des GBs wie jene für Gnigl müssten „nicht explizit umgesetzt werden“. Angesicht seiner vergangenen Lippenbekenntnisse zum Thema „respektvolles Weiterbauen“ steht dem Lehrerhaus keine rosige Zukunft bevor.
Abrissfreudige – Politiker, Eigentümer, Wohnbaugenossenschaften und Investoren – beziehen sich gerne auf das Salzburger Raumordnungsgesetz (ROG 2009 § 59 Abs. 2) mit der Behauptung, dass kaum eine „Instandhaltung allgemein wirtschaftlich vertretbar erscheint“ und damit „der Abbruch für ein Gebäude mit Erhaltungsgebot“ bewilligt werden müsse.
Wer die sichere Demontage eines Gebäudes anstrebt, nimmt sich einen Gutachter, der über die Liebhaberei-Beurteilung im österreichischen Steuerrecht (LRL. 1997 + BGBL. 33/1993) eine unrealistisch kurze Refinanzierungszeit von 20 bis 28 Jahren ansetzt. Verzichtet die Stadtplanung dann auf ein Gegengutachten, so ist wertvollen Gebäuden die Spitzhacke gewiss. Auf dieses Weise eliminiert wurden zum Beispiel die Villa Itzlinger Hauptstraße 82 (gegenüber Schweiger Eis) oder das Industriedenkmal Ischlerbahnremise Landstraße/Ziegeleistraße, beide um 1900 gebaut.
Es gibt aber auch seriöse, keineswegs „automatisch“ zum Abriss gelangende und anerkannte Bewertungsverfahren: So hat der Salzburger Baumeister Wilfried Huemer ein differenziertes und spezifisches Restwertverfahren entwickelt, das dem österreichischen Steuerrecht entspricht. Bei der Ertragswertermittlung werden realistische und argumentierbare Mindest-Regelnutzungsdauern generalsanierter Gebäude zugrundegelegt. Diese Zeitspanne beträgt z.B. bei generalsanierten Wohnbauten mindestens 50 Jahre sowie in der Regel 67 Jahre für vergleichbare Ersatzbauten.
Die Stadt außerhalb des Altstadtschutzgebiets ist benachteiligt, es fehlt ein Fonds für erhaltenswerte Gebäude ähnlich dem Altstadterhaltungsfonds. Bei Objekten mit Erhaltungsgebot sollte die Baubehörde periodisch die Instandhaltung überprüfen und diese im Notfall einfordern, um bewusst herbeigeführtem Verfall entgegenzuwirken.
Die aktuelle Überarbeitung es ROGs bietet die Chance, den Schutz bzw. die Erhaltung von identitätsstiftender Baukultur ungleich umfassender zu begleiten. So sollte die Berechnung der Wirtschaftlichkeit (Absetzung für Abnutzungen) an die dem Gebäude immanenten Nutzungszeiträume gebunden werden, ohne allfällige individuelle Bestandsverhältnisse (Vermietung versus Eigennutzung) zu berücksichtigen. Das würde zudem die seit Jahrzehnten kursierende Praxis, Häuser und Mieter gleichzeitig zu eliminieren, abschaffen. (Wird fortgesetzt)