Es ginge um ein Stück Lehen-Identität
DOKUMENTATION / LEHEN / RAUCHMÜHLE (2)
23/12/14 Teil zwei der Dokumentation über die Rauchmühle im Salzburger Stadtteil Lehen. Die Salzburger Kunsthistorikerin Jana Breuste, die eine bauhistorische Studie über die Bausubstanz verfasst hat, über die Auswirkungen des Gutachtens auf die Planungen zur Neugestaltung des Areals.
Von Jana Breuste
Die Fißlthaler Mühle – jetzt Rauchmühle – ist der einzige Mühlbetrieb des Landes Salzburg, dessen Produktion industrielles Ausmaß erreichte. Mit ihrem visionären einheimischen Müller ist sie also ein einzigartiges Zeugnis der Salzburger Industriegeschichte. Der Entwicklungsprozess der Mühlen von Handwerksbetrieben über immer höher mechanisierte Kunstmühlen der Gründerzeit zu hochtechnisierten Industrie- oder Großmühlen, ist anhand der Geschichte und Architektur der Fißlthaler Mühle vollständig nachvollziehbar. Nach der Neubebauung des Gaswerk-Areals hat sie zugleich eine besondere stadtteilgeschichtliche Bedeutung als das letzte Gebäude, dass die gründerzeitliche Industrialisierung in Lehen dokumentiert und darüber hinaus als Landmark für den Stadtteil wirkt. Über diese wirtschaftshistorische und architektonische Bedeutung hinaus, haben sich der ursprünglich ländliche Charakter und das einzige wirtschaftlich genutzte Fließgewässer Lehens am und um das Areal noch erhalten.
Der Erhalt von Mühlengebäude, Silogebäude und Villa muss als Chance für eine historische und architektonisch-qualitative Konstante und identitätsstiftende Maßnahme für Lehen interpretiert werden.
Doch wie ist der derzeitige Stand der Dinge? Die Erhaltung des Silogebäudes wurde als in hohem Maße unwirtschaftlich beurteilt: ein klassisches Totschlagargument für historische Bausubstanz. Ob ein statisches Gutachten vorlag, bleibt unklar. Derzeit befindet sich das Projekt in der Wettbewerbsphase. In den Wettbewerbsunterlagen findet sich eine auch vom Gestaltungsbeirat begrüßte Variante der Erhaltung seiner inneren Holzkonstruktion als im Außenraum positioniertes und damit keinen bauphysikalischen und brandschutztechnischen Anforderungen unterliegendes Gemeinschaftsatrium. Deren Sinnhaftigkeit „als wichtiger Platzhalter (historisches Gedächtnis) für den Standort“, darf angesichts fehlender Außenmauern jedoch bezweifelt werden. Das Maschinenhaus wurde trotz gegenteilig lautendem Gutachten in der Ausstellung Ende November 2014 als „bauhistorisch wertvolles Gebäude“ ausgewiesen und wird erhalten bleiben.
Wohlweislich nur mündlich und auf Nachfragen wurde die geplante Entkernung des Mühlengebäudes kommuniziert. Die im Inneren des mehrfach erhöhten Baukörpers sichtbaren Veränderungen sind aber keineswegs als Minderung des historischen Charakters der Baustruktur zu werten, sondern stellen ganz selbstverständliche Anpassungen der Baustruktur eines zunehmend technisierten Produktionsablaufes dar. Ohne die Integration der teilweise noch erhaltenen Holztragsysteme in eine Umgestaltung des Inneren ist ein Erinnerungsverlust der Mühlengeschichte vorhersehbar.
Die Qualitäten neu gewonnener, öffentlicher Freiräume am Areal, die den Anforderungen des Räumlichen Entwicklungskonzeptes geschuldet sind, stellen selbstverständlich eine Aufwertung dar. Durch die Ableitung des Wassers aus dem Industriekanal Glanmühlbach in ein Fließgewässer entlang der Bahntrasse unter Abriss des Turbinenhauses wird die Erinnerung an die kulturlandschaftliche Nutzung der Wasserkraft verloren gehen.
Es gäbe Vorbilder bestandsschonender Umnutzungen von altem Industriegelände, auch in Salzburg. Der gelungene und alte Substanz schonende Umgang bei der Revitalisierung des Gusswerk-Areals machen vor, welche schlummernden Potentiale freigesetzt werden können. Das bayerische Rosenheim zeigt mit seiner Kunstmühle, wie durch sensibles Eingehen auf Vorhandenes eine technikgeschichtlich abgeschlossene Epoche für die Nachwelt erhalten werden kann. Der Wert der in Baualter, Standortqualitäten, Nutzungsgeschichte und Tragkonstruktionen mit Salzburg vergleichbaren Substanz wurde dort allerdings vom Denkmalamt als Ensemble geschützt. So hat man in Rosenheim gemeinsam mit erfahrenen Architekten und engagierten Objektentwicklern ein neues, aber vor allem dem Bestand entsprechendes Nutzungsszenario erarbeitet. (Ende)