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So etwas wie der 1. Mai der Kirche

 

HINTERGRUND / FRONLEICHNAM

18/06/14 Allen Ernstes zwei Millionen Teilnehmer? Wenn ja: Sind da die Fronleichnams-Prozessions-Mitgeher gezählt oder auch jene, die am Straßenrand stehen und zuschauen, wenn ein Geistlicher unter dem „Himmel“, dem tragbaren Baldachin, mit der Monstranz umzieht? Seit 750 Jahren gibt es das Fest, aber seine besondere Akzentuierung hierzulande hat es im Zuge der Gegenreformation genommen.

Von Reinhard Kriechbaum

Die zwei Millionen, dieser Tage kolportiert von der katholischen Nachrichtenagentur Kathpress, mögen zweck-optimistisch hoch sein. Aber es gilt nach wie vor: Fronleichnam ist eines der nach außen hin am stärksten wahrgenommenen katholischen Feste. Ein wenig provokant könnte man sagen: Wenn Kirchenmänner das ihnen hienieden Allerheiligste, das Allerheiligste (die geweihte Hostie) nämlich, in und durch den öffentlichen Raum tragen, dann ist das Fronleichnamsfest so etwas wie der 1. Mai der Katholischen Kirche.

Wo das Fest herkommt, und dass es ausgerechnet heuer 750 Jahre alt ist: Das ist eigentlich nicht so rasend interessant. Es rührt her von einer visionär begabten Nonne in Lüttich. Die sah ab dem Jahr 1209 mehrfach, im Gebet versunken, eine glänzende Mondscheibe mit einer dunklen Stelle. Das Ärztewesen war damals noch nicht so toll, deshalkb suchte die Visionärin den Rat von Theologen. Diese deuteten die Sache so: Der Mond stehe für das Kirchenjahr, der Fleck für das Fehlen eines besonderen Festes zur Verehrung der Eucharistie.

Der damalige Beichtvater der heiligen Nonne Juliana, also ein Visions-Exeget der ersten Stunde, wurde später als Urban IV. Papst. Er erhob 1264 Fronleichnam zum allgemeinen Kirchenfest. Die Durchsetzung schleppte sich noch lange dahin.

Den entscheidenden Impuls dafür, dass Fronleichnam in unseren Landen zum kirchlichen Schaubrauch par excellence geworden ist, gab die Gegenreformation. Von kirchlicher Seite aus erkannten insbesondere die Jesuiten, dass es gegen das protestantische Wort, gegen die Mission mit volkssprachlichem Liedgut starke visuelle Reize brauchte. Sehen ist allemal stärker als hören – das wissen Fernseh- und Radiomacher bis heute. Die großen Seeprozessionen im Salzkammergut etwa, am Traunsee (Traunkirchen) und am Hallstätter See, auch jene am Millstätter See in Kärnten, reichen auf die jesuitische Gegenreformation zurück. Auch das österreichische Kaiserhaus tat sich damals als Vorzugsschüler in Sachen katholischer Rechtgläubigkeit hervor. 1622 nahm Ferdinand II. Als erster österreichischer Monarch persönlich am Wiener „Stadtumgang“ teil.

Ein hoher Identifikationsgrad mit der Fronleichnamsprozession ist bis heute geblieben. In Innsbruck heißt sie „Landesprozession“, und da schwingt auch etwas von der Identität des „heiligen“ Landes Tirol mit.

Was man heute freilich schon vielen Fenstehenden sehr deutlich erklären muß: Mit“Leiche“ hast Fronleichnam nichts zu tun.“Fron“ bedeutet „Herr“! Und „Lichnam“ meint den „lebendigen Leib“, also genau das Gegenteil von verstorben. „Leib des lebendigen (auferstandenen) Herrn“ heißt Fronleichnam, und deshalb ist es auch nicht auf einen bestimmten Termin festgeschrieben, sondern es wandert mit dem beweglichen Ostertermin. Zehn Tage nach Pfingsten, immer an einem Donnerstag wird es begangen. Heuer am morgigen Donnerstag (19.6.).

Die Protestanten waren logischerweise „not amused“ über das Schau-Fest für die katholische Hostie. Sie hatten da eine Idee und terminisierten ihr Gustav-Adolf-Fest haargenau an dem Tag. Der protestantische Schwedenkönig hat den Verlauf des Dreißigjährigen Krieges wesentlich beeinflusst. Er ist 1632 in der Schlacht bei Lützen gefallen. Gustav Adolf hat gegen die Hostie, die bekanntlich für „das Fleisch Christi“ steht, den Kürzeren gezogen.

Fronleichnam, die Seeprozessionen im Salzkammergut oder auch die prachtvollen Blumenteppiche in den Gemeinden rund um Deutschlandsberg sind ein Thema in dem Buch „“Scheller, Schleicher, Maibaumkraxler“ von DrehPunktKultur-Chefredakteur Reinhard Kriechbaum, in dem er Bräuchen der ersten Jahreshälfte nachspürt. Dieses und zwei weitere Bücher über Bräuche in Österreich sind im Verlag Anton Pustet erschienen: www.pustet.at
Bild: dpk-krie

 

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